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verteidigung des Besitzers beruht auf dem Grundsatze der Friedensordnung: Niemand
soll in seinem Besitz gestört werden, und wenn eine solche Störung versucht wird, darf sich der
Besitzer dagegen wehren. Wie man also auf der einen Seite die Selbst hilfe als in Widerspruch
mit der Friedensordnung erklärt hat, so auf der anderen die Selbstverteidigung als
Ausfluß und Folgerung eben dieser Friedensordnung; und gerade darin liegt der wesentliche
Charakter des Besitzes: wer Besitzer ist, darf sich wehren (§§ 227, 859). Ubrigens hat unser Recht
diesem Satze noch die weitere Folgerung gegeben, daß, auch wenn der Besitzer bereits verdrängt
ist, er sich immer noch wehren kann, sofern er es nur sofort tut, so daß man Besitzentsetzung und
-wiedererlangung gleichsam als einen Vorgang behandeln kann, der so zu betrachten ist, als
ob der Besitz niemals verloren worden wäre. Man darf das Zeitliche im Recht nicht auf
die Weise übertreiben, daß man dem kurzen Augenblick des Besitzverlustes eine grundsätzliche
Bedeutung beimäße, während er doch ohne Einfluß auf die wirtschaftliche Lage gewesen ist 1.
Noch weiter geht unser Recht in diesem Gedanken, wenn es sich um die klageweise Geltendmachung
des Besitzes handelt. Hier herrscht der Satz, daß zwar im Grunde genommen jeder des Besitzes
Entsetzte die Wiedereinsetzung verlangen kann; doch soll eine Ausnahme gelten, wenn der des
Besitzes Entsetzte selbst seinerseits vor weniger als einem Jahr den Beklagten entsetzt hatte: in
diesem Falle ist der Beklagte dieser Besitzklage gegenüber in der Art geschützt, daß er die Fort-
dauer seines Besitzes verlangen kann. Auch hier wird die Entsetzung und Wiedereinsetzung ge-
wissermaßen so behandelt, als wenn eine Entsetzung niemals stattgefunden hätte (§ 861).
Der Besitzer hat ein Recht nicht nur gegen den Entsetzer, sondern auch gegen seine Erben
und gegen denjenigen, der von ihm mit dem Bewußtsein erworben hat, daß dessen Besitz auf
einer Entsetzung, d. h. auf verbotener Eigenmacht, beruht. Dies ist ein wichtiger Grundsatz des
deutschen Rechts; man spricht hier von Spolienklage: Besitzentsetzung ist spolium, und die Klage
geht gegen den Spoliator und denjenigen, der von ihm bösgläubig erworben hat: auch dieser
ist in der Sprache unseres Gesetzes ein fehlerhafter Besitzer (§ 858).
II. Selbständige Rechte an Sachen.
1. Allgemeines.
§ 30. Die Sachenrechte sind entweder Substanz= oder Wertrechte. Das Substanzrecht
zielt dahin, eine Sache nach ihren individuellen Vorteilen und Gestaltungen der menschlichen
Wirtschaft oder der menschlichen Kultur dienstbar zu machen; es verfolgt die Sache nach allen
Richtungen ihrer kulturellen Wesenheit hin und kann sich als mehr oder minder bedeutsam er-
weisen, je nachdem die Sache größere oder geringere Erträge liefert. Das normale Recht dieser
Art ist das Eigentum. Eine frühere Theorie stellte das Eigentum als ein absolutes Recht auf
und zeitigte die sonderbare Vorstellung des jus utendi abutendi; aber die Befugnis des Mißbrauchs
ist niemals ein Recht. Allerdings kann die Rechtsordnung jemandem. Befugnisse gewähren,
ohne ihn einer näheren Kontrolle zu unterwerfen, so daß die mehr oder minder zweckmäßige Art
der Benutzung nicht weiter in Betracht gezogen wird: ein derartiger Benutzungsrahmen ist
dem Berechtigten gestattet, um ihn in voller Freiheit walten zu lassen und nicht in Fesseln zu
legen; allein ein Recht des Mißbrauchs wäre eine Abnormität. Sobald der Mißbrauch solche
Dimensionen annimmt, daß hierdurch die Kulturinteressen gefährdet oder gestört werden, tritt
die staatliche Ordnung hervor und legt ihr Veto ein.
Aus diesem Grunde und wegen der vielen Zusammenhänge verlangt der Gebrauch der
Sachen eine Regelung; namentlich kann kein Grundeigentum bestehen, ohne daß eine staatliche
Ordnung Bestimmungen trifft. Vor allem wird die Polizeigewalt im Interesse der vielseitigen
Gemeinschaftsinteressen berechtigt sein müssen, da und dort einzuschreiten. Welches die Grenzen
dieser Polizeigewalt sind, ist nicht im einzelnen festzusetzen, sondern muß nötigenfalls von den
Verwaltungsgerichten nach der Frage entschieden werden, ob die öffentlichen Interessen oder
das Interesse der Freiheit des Einzelnen vorgehe 2.
1 Lehrbuch 1 S. 207 f.; vgl. auch Schweizer 8 B. a. 926.
* Preuß. Oberverwaltungsgericht 22. Dezember 1911 Entsch. 60 S. 310; frühere Entschei-
dungen ebenda 33 S. 413, 36 S. 401, 39 S. 400, 40 S. 398 u. a. Vgl. auch Stier-Somlo,