Bürgerliches Recht. 91
Dienste nur mangelhaft tun kann; hier wäre es nicht entsprechend, wenn er nun doch die Wohnung
behielte und einfach draufzuzahlen hätte; am allerwenigsten, wenn er etwa als Pförtner in die
Wohnung aufgenommen ist, um Portiersdienste für das Haus zu leisten. In solchen Fällen
müssen die besonderen Grundsätze des Dienstverhältnisses mit in Betracht kommen, und muß
dem Hausherrn ein Kündigungsrecht gewährt werden (§§ 323, 473, 626 BGB.).
In Dienst= wie in Gesellschaftsverhältnissen muß überhaupt berücksichtigt werden, daß es
sich nicht nur um einen bloßen Gegenseitigkeitsvertrag, sondern um gegenseitige Rechtsverhält-
nisse handelt, welche Rechtsverhältnisse eine besondere Weise der Abwickelung erheischen 1.
Schwieriger noch werden die Dinge dann, wenn der eine Teil für die Unmöglichkeit ein-
stehen muß. So kann beispielsweise der Gläubiger für die Unmöglichkeit aufzukommen haben,
weil er selber die Leistung des Schuldners unmöglich macht oder sie nicht annimmt: hier hat
der Gläubiger dem Schuldner die volle Gegenleistung zu zahlen, allerdings mit Abzug dessen, was
diesem hierdurch erspart ist, und dessen, was der Schuldner dadurch, daß er seiner Dienste ent-
ledigt wird, in entsprechender Weise anderweit verdienen kann (5F 324 BGB.). Vgl. S. 88.
Ahnliche Grundsätze müssen auch bei dem Patienten in einer Heilanstalt gelten: kommt
der Leidende nicht, nachdem alles bestellt ist, so zahlt er das Bedungene mit den entsprechenden
Abzügen, ebenso, wenn er sich vorher entfernt; tut er es aber, weil er die Heilbehandlung nicht
ertragen kann, so bezahlt er nur das dem Bisherigen Entsprechende, denn es liegt eine nicht in
seiner Person allein begründete Unmöglichkeit der Leistung vor: eine Heilmethode, die schäd-
lich wirkt, ist keine Heilmethode. Schwierigkeiten entstehen, wenn die Leistungen in der fort-
dauernden Lieferung von vertretbaren Sachen für individuelle Zwecke bestehen; z. B. der Gast
eines Hotels hat sich für gewisse Mahlzeiten verpflichtet und kann wegen Erkrankung an den
Mahlzeiten nicht teilnehmen. In solchem Falle kann der Pensionspreis nur verlangt werden
abzüglich dessen, was der Wirt dadurch erspart, daß er die Kost nicht weiter zu leisten hat.
Am allerschlimmsten aber fährt man mit der Wortauslegung, wenn es sich um den Fall
handelt, wo der Schuldner selber durch sein Verschulden sich die Erfüllung unmöglich gemacht
hat. Es versteht sich von selbst, daß der Gläubiger in diesem Falle Schadenersatz wegen Nicht-
erfüllung verlangen kann. Dies könnte er schon bei einseitigen Vertragsverhältnissen; man denke
sich den Fall, daß bei einem Schenkungsversprechen der Schenker aus Zorn und Arglist den
Gegenstand der Schenkung absichtlich vernichtet hätte (ös 280, 521 BGB.). Handelt es sich
aber um einen gegenseitigen Vertrag, so treten hier besondere Interessen ins Spiel. Einmal
kann, wenn die eine Leistung auf solche Weise unmöglich gemacht wird, der andere Teil von sich
aus leisten und von dem Schuldigen Schadenersatz verlangen: dann wird die Sache nach den
Grundsätzen des einfachen Vertrages behandelt; denn es ist nicht einzusehen, warum der vertrags-
treue Teil hier nicht die nämlichen Rechte haben sollte, wie wenn beide Leistungen getrennt
wären: ist es doch die Schuld des anderen Vertragsgenossen, daß das Verhältnis von Leistung
zur Leistung gebrochen worden ist! Dies wird darum auch in §8 325 ausdrücklich ausgesprochen;
es ist insbesondere auch darum wichtig, weil der vertragstreue Teil, wenn die Gegenleistung
schuldhaft verschlechtert und dadurch teilweise unmöglich gemacht worden ist, die verschlechterte
Sache zurückweisen und Schadenersatz verlangen kann, als wenn diese Sache ganz vernichtet
worden wäre. Z. B. der A. tauscht sein Pferd gegen das des B. aus; vor der Ablieferung reitet B.
sein Pferd zuschanden; A., welcher sein Pferd liefert, braucht dafür kein schadhaftes Pferd in
Tausch zu nehmen: er könnte das schadhafte Pferd zurückweisen, auch wenn es sich um ein ein-
seitiges Rechtsgeschäft handelte, § 280.
Nach §s 325 BG. hat aber in solchem Falle A. die weitere Befugnis: er kann vom Ver-
trag zurücktreten. Dies versteht man gewöhnlich dahin: er leistet sein Pferd nicht, nimmt das
andere nicht an, und beide sind quitt. Das ist falsch. Er kann nicht nur zurücktreten, sondern
nach §8 275 auch Schadenersatz verlangen, weil der andere Teil diesen Rücktritt veranlaßt und
dadurch möglicherweise den A. schwer geschädigt hat.
Man will dies nicht gelten lassen; man sagt: A. habe die Alternative, er könne sein Pferd
hingeben und Schadenersatz verlangen; er könne auch von dem Geschäft zurücktreten, so daß er
1 Lehrbuch II S. 259. Dies wird nun auch, namentlich was die Gesellschaftsverhältnisse betrifft,
immer mehr anerkannt, RG. 21. Februar 1912 Entsch. 78 S. 303; und 11. Februar 1913 Entsch. 81
303. Verfehlt Knoke, Recht der Gesellschaft (1901) S. 45 f.