Grundzüge des Handelsrechts. 99
2. Giroverkehr. Schon seit dem Mittelalter ist durch Girobanken eine Zahlung mittelst
Ab= und Zuschreibung in den Bankbüchern ausgebildet. Zugrunde liegen Giroverträge zwischen
der Bank und den einzelnen Kunden, die am Giroverkehr teilnehmen wollen. Der Kunde muß
eine Geldeinlage machen und erwirbt damit als „Girokonto“ eine stets fällige, in ihrer Höhe
durch Zu- und Abschreibungen wechselnde Buchforderung gegen die Bank. Die Bank verpflichtet
sich, auf Verlangen Geldbeträge von dem Girokonto des einen Kunden abzuschreiben und dem
Girokonto eines anderen Kunden zuzuschreiben. Der Antrag des Girozahlers (bei der Reichsbank
als sog. „roter Scheck“, der aber kein Scheck im Rechtssinne ist) genügt. Die so bewirkte Giro-
zahlung, obschon an sich nur Verschiebung der Geldforderungen gegen die Bank, steht der Bar-
zahlung gleich.
3. Verrechnung. Im Handelsverkehr ist nicht nur die Aufrechnung zwischen Kauf-
leuten durch die Form der Ab= und Zuschreibung bei den beiderseitigen Buchkonten erleichtert,
sondemm auch die Ausgleichung von Forderungen unter einer größeren Zahl von Personen durch
Verrechnung als „Skontration“ (Zahlung mit geschlossenem Beutel) ausgebildet. Die Skon-
tration beruht ungleich der Aufrechnung auf freiem Willen der Beteiligten. Denn sie setzt einen
Forderungstausch voraus. Allein es kann ein bindender Vertrag unter vielen geschlossen werden,
miteinander zu skontrieren. Der berühmteste Skontroverband ist das Londoner Clearing-house.
Nach seinem Vorbilde sind auch in Deutschland „Abrechnungsstellen“ gegründet (in Berlin 1883).
Auch bestehen an den Börsen Skontroverbände für die Ultimoliquidation.
Literatur: Zum Scheckrecht bei diesem. — #ber den Kreditbrief G. Cohn b. Ende-
mann III § 453. Goldschmidt, System &5 112. K. Lehmann §* 188. Gareis # 67.
Cosack 679. — Über Giroverkehr und Skontration G. Cohn a. a. O. & 446 ff. Koch, Busch
Arch. XXXVII 85 ff., Z. f. HKR. XXIX 59 ff. Goldschmidt, Syst. § 118. Brodmann,
Z. f. HR. XVIII 121 fl. Trumpler, ebenda L 434 ff. F. Hoffmann, ebenda IXV
337 ff. Teschemacher, ebenda TXVII401 ff. J. Breit, ebenda S. 507 ff. Hanausfek,
Der Scheck im Giroverkehr ner österr.-ungar. Bank, 1889. W. Späing, Der Giroverkehr der
deutsch. Reichsbank, 1906. K. Lehmann 7 185—186. Gareis #/68. Cosack 5 80—81.
§ 81. Kreditgeschäfte. Kreditgeschäfte haben die Gewährung oder Zusage von Kredit
gegen Vergütung zum Gegenstande. Als Hauptgeschäfte des Bankiergewerbes umfassen sie
auch Geschäfte, deren nächster Zweck Aufbewahrung ist. Zu den Kreditgeschäften gehört das kauf-
männische Darlehen, das seit dem Wegfall der Zinstaxen keine Besonderheit mehr hat. Von
Bürgschaft und Kreditauftrag war schon die Rede. Die Verwendung des Wechsels zu Kredit-
operationen gehört ins Wechselrecht.
1. Offentliche Anleihe. Die Darlehnsaufnahme mittelst öffentlicher Anleihe,
wie sie Staaten, Gemeinden und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts, aber
auch Aktiengesellschaften (loben & 54) und Einzelpersonen vornehmen, untersteht als solche nicht
dem Handelsrecht. Es macht keinen Unterschied, ob der Anleiheschuldner Kaufmann ist oder
nicht. Der Darlehnsvertrag wird hier durch Begebung (Emission) von Teilschuldverschreibungen
auf den Inhaber (seltener von Rekta= oder Orderpapieren) gegen Zahlung des als „Emissions-
kurs“ auf den Nennbetrag (al pari) oder höher (Üüber pari) oder niedriger (unter pari) festgesetzten
Preises geschlossen. Zur Emission von Anleihepapieren auf den Inhaber oder auch nur von
Zinsscheinen auf den Inhaber ist, wenn nicht das Reich oder ein deutscher Staat sie ausgibt,
staatliche Genehmigung erforderlich (BGB. F 795). Die näheren Bedingungen des Schuld-
verhältnisses regelt der „Prospekt". Oft wird das Kündigungsrecht des Gläubigers ganz aus-
geschlossen, das Kündigungsrecht des Schuldners in bestimmter Weise festgelegt (allgemeine
Kündigung behufs Ablösung oder Konvertierung; planmäßige Tilgung durch jährliche Aus-
losung einer bestimmten Zahl von Stücken). Die Rückzahlung erfolgt zum Nennwert, mitunter
aber mit einem Zuschlage (z. B. 110 für 100). Bei Prämienanleihen, deren Ausgabe jedoch
seit dem RG. v. 8. Juni 1871 nur mit besonderer (bisher nie gewährter) Gestattung durch Reichs-
gesetz zulässig ist, wird auf einzelne, durch das Los bestimmte Stücke ein Spielgewinn zugezahlt;
die Gewinnchance bildet hier statt Zinsen oder neben Zinsen den Kreditpreis. Auch das Ver-
hältnis der Teilgläubiger zueinander, insbesondere die gesetzliche Gläubigergemeinschaft nach
IWes. v. 4. Dez. 1899, liegt außerhalb des Handelsrechts.
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