Grundzüge des Handelsrechts. 7
Im Deutschen Reich wurde es durch das neue Handelsgesetzbuch vom 10. Mai
1897 nebst Einführungsgesetz vom gleichen Tage ersetzt. Das neue Handelsgesetzbuch ging
aus einer Revision des alten hervor, die im Reichsjustizamt ausgearbeitet und im Jahre 1895
von einer Kommission durchberaten, dann noch einmal im Jahre 1896 unter Zuziehung von
Sachverständigen geprüft und im Jahre 1897 mit geringen Anderungen von Reichstag und
Bundesrat angenommen wurde. Das hauptsächlichste Ziel war die Herstellung des Ein-
klanges mit dem neuen bürgerlichen Recht. Viele Sätze des alten HGB. wurden gestrichen,
weil sie entweder in das BG. übergegangen sind oder abweichende handelsrechtliche Vor-
schriften nicht mehr erforderlich zu sein schienen. Im übrigen wurden zahlreiche Fassungs-
änderungen, aber auch wichtige sachliche Anderungen vorgenommen. Endlich wurden einige
Ergänzungen eingefügt. Das neue H. hat nur vier Bücher statt der fünf des alten,
wovon, da das letzte dem Seerecht gewidmet ist, drei sich mit dem eigentlichen Handelsrecht
beschäftigen. Es zählt, während das alte in Artikel zerfällt, nach Paragraphen. In Kraft
ist es seit dem 1. Januar 1900, jedoch hinsichtlich der neuen Vorschriften für Handlungs-
gehilfen und Handlungslehrlinge schon seit dem 1. Januar 1898.
Neben dem Handelsgesetzbuch gelten zahlreiche andere Reichsgesetze von ganz
oder teilweise handelsrechtlichem Inhalt, von denen manche, wie das Gesetz über Gesellschaften
mit beschränkter Haftung und das Binnenschiffahrtsgesetz, nur aus äußeren Gründen nicht in
das Handelsgesetzbuch eingefügt sind. In Ermangelung sonderrechtlicher Vorschriften kommt
auch in Handelssachen das gemeine Reichsprivatrecht und insbesondere das BGB. zur An-
wendung (EG. Art. 2.).
Die Landesgesetzgebung konnte ursprünglich das allgemeine deutsche Handels-
gesetzbuch nicht nur ergänzen, sondern auch abändern. Seit der Erhebung des alten HGB.
zum Reichsgesetzbuch wurde zwar dessen Abänderung durch Landesgesetz unzulässig, ergänzendes
Landesrecht aber blieb zulässig und in erheblichem Umfange, vor allem ja im ganzen Bereiche
des subsidiär anzuwendenden bürgerlichen Rechts, von hoher Bedeutung. Dem neuen HB.
gegenüber ist auch ergänzendes Landesrecht ausgeschlossen. Die Landesgesetzgebung ist zum
Erlaß von Vorschriften im Gebiete des Handelsprivatrechts wie alles Privatrechts überhaupt
nur insoweit befugt, als sie dazu durch Reichsgesetz ausdrücklich ermächtigt ist. Einzelne der-
artige Vorbehalte finden sich im EG. zum H#G. (Art. 15—21) oder ergeben sich aus den Vor-
behalten im EG. zum BGB. Demgemäß sind in den einzelnen Staaten Ausführungsgesetze
zum neuen HGB. ergangen.
Materialien: Preuß. AL#. II 8, 475—2464. — Code de commerce, publ. 20—25.Sept.
1807. — Entw. eines HGB. für das Königr. Württemberg, 2 Tle., 1839 u. 40. — Entw. eines
allgemeinen HGS#B. für Deutschland (Reichshandelsgesetzentwurf) Titel 1—5, 1848 u. 49. —
Entw. eines HGB. für die Preuß. Staaten, 2 Tle., 1857 u. 59 (verfaßt von Bischoff)y. Entw.
eines Osterr. Handelsrechts, Wien 1857. Protokolle der Kommission zur Beratung eines Ab0P#.,
herausg. v. J. Lutz, 9 Tle. mit Registerband und Beilageband, 1858/63. Einführungsgesetze
zum ADHGB. (Preuß. v. 24. Juli 1861, Osterr. v. 17. Dez. 1862 usw.) im Beilageband zu den
Protok. (III), besonders 1871. Auch bei Salpius, Die Ergänzungen der ADW. und des
ADHG., 1870. — Nordd. BG. v. 5. Juli 1869, RG. v. 16. Apr. 1870 (für Württ., Baden, Hessen),
v. 22. Apr. 1871 (f. Bayern), v. 19. Juni 1872 (f. Elsaß-Lothr.), v. 22. März 1891 (f. Helgoland),
v. 10. Juli 1879 u. 17. April 1886 (f. Konsularbezirke und Schutzgebiete). — Entw. eines HGB.
mit Denkschrift, 13906. Rießer, Zur Revision des HG#B., 1887/89; Dickel, Bemerkungen
zu dem Entw. eines neuen HGB., 1897; Laband, Deutsche J3. 1 345 ff.; Gierke, Z. f. #8
XIV 441 ff., Der Entwurf des neuen HGB., 1897; K. Lehmann, Trsch. f. civ. Pr. LXXXVI
289 ff.; Ehrenberg, Jahrb. f. Dogm. XXXVII 77 ff.; G. Cohn, Arch. f. bürg. R. XII 185 ff.
— Ausgaben des neuen HGB. mit Anmerkungen von Gareis, von Frankenburger,
von Rudorff, von Dorn. Mit den Nebengesetzen b. Friedberg, Die Handelsgesetzgebung
des Deutschen Reichs, 8. Aufl. 1907. Ferner G. Meyerhoff, Corpus juris civilis für das
Deutsche Reich und Preußen: mit Erläuterungen; Bd. II Handelsrecht. — Die Ausführungs-
gesetze in der Sammlung von Becher.
§s 5. Das Haudelsgewohnheitsrecht. Das Gewohnheitsrecht, einst die weit-
aus überwiegende Quelle des Handelsrechts, wahrte in Handelssachen auch gegenüber der
vordringenden Gesetzgebung Lebendigkeit und schöpferische Kraft. Das alte Handelsgesetzbuch
(Art. 1) entzog ihm seinen eignen Bestimmungen gegenüber die derogatorische Funktion, sprach
aber ausdrücklich den Handelsgebräuchen den Vorrang vor allem bürgerlichen Recht und somit