Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

106 Otto v. Gierke. 
dem Ablaufe des Tages, an dem die Ablieferung hätte bewirkt sein müssen. Die Verjährungs- 
frist kann durch Vertrag verlängert werden. Auch die Aufrechnung mit den verjährten An- 
sprüchen ist nur zulässig, wenn vor der Vollendung der Verjährung eine Anzeige an den Spediteur 
abgesandt (oder gerichtliche Beweisaufnahme beantragt oder dem Spediteur der Streit ver- 
kündigt) ist. Im Falle vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens fällt das Verjährungsprivileg 
weg. (Vgl. F 414). 
Literatur: Wengler, Beiträge zur Lehre vom Speditionsgeschäft, 1860. Grün- 
hut, Kommissionshandel, S. 524 ff.; b. Endemann III § 331 ff. Burchard, Das Recht 
der Spediteure, 1894. Senkpihl. Das Speditionsgeschäft, 1907. K. Lehmann s# 215. 
Gareis 5(52. Cosack 5 144. 
#§s 84. Lagergeschäft. Wer gewerbsmäßig die Lagerung und Aufbewahrung von Gütem 
übernimmt, ist Lagerhalter und damit Kaufmann. Der von ihm geschlossene Verwahrungs- 
vertrag unterliegt als „Lagergeschäft“ besonderen handelsrechtlichen Vorschriften, die auf die 
Verwahrungsverträge anderer Kaufleute keine Anwendung finden (§§ 416—424). 
Der Lagerhalter hat in Ansehung der Empfangnahme, Aufbewahrung und Versicherung 
des Gutes gleiche Rechte und Pflichten wie ein Kommissionär oder Spediteur; von nach- 
teiligen Veränderungen hat er den Einlagerer unverzüglich zu benachrichtigen. Er muß dem 
Einlagerer während der Geschäftsstunden Besichtigung, Entnahme von Proben und die 
zur Erhaltung des Gutes erforderlichen Handlungen (z. B. Schaufeln des Getreides) gestatten. 
Zur Vermischung vertretbarer Sachen mit anderen Sachen gleicher Art und Güte (z. B. Ge- 
treide) ist er nur im Falle ausdrücklicher Gestattung befugt; er wird auch dann nicht Eigentümer, 
sondern nur Verwalter eines für die Einlagerer entstehenden Miteigentums nach Bruchteilen, 
das er durch Ausantwortung der dem Anteil eines Einlagerers entsprechenden Menge vom 
Gesamtvorrat ohne Einwilligung der übrigen Teilhaber aufteilen kann. Ist Eigentumsübergang 
auf den Lagerhalter verabredet, so liegt kein Lagergeschäft vor. 
Der Lagerhalter kann als Lagerkosten das bedungene oder ortsübliche Lagergeld 
und die Erstattung von Auslagen und Aufwendungen verlangen; die baren Auslagen sofort, 
das andere nach Ablauf von je drei Monaten seit der Einlieferung oder bei früherer Rücknahme. 
Wegen der Lagerkosten hat er ein gesetzliches Pfandrecht am Lagergut. 
Die Rücknahme des Gutes kann er nicht vor Ablauf der bedungenen Lagerzeit oder 
mangels einer solchen von drei Monaten, im letzteren Falle und bei stillschweigender Verlänge- 
rung über die Lagerzeit nur nach vorgängiger einmonatiger Kündigung verlangen. Doch 
kann er aus einem wichtigen Grunde auf vorzeitiger Rücknahme bestehen. 
Die Ansprüche gegen den Lagerhalter verjähren in gleicher Weise wie die Ansprüche 
gegen den Spediteur; im Falle des gänzlichen Verlustes wird hier die Verjährung erst durch 
die Anzeige an den Einlagerer in Lauf gesetzt. 
Über den Lagerschein (Warrant) bestimmt das HGB. nur, daß er kraft staatlicher 
Ermächtigung als Orderpapier ausgestellt werden kann und dann zugleich Traditionspapier 
ist (loben § 70 Z. 1b u. Z. 2). Die Ausstellung von Lagerscheinen auf den Inhaber ist 
dadurch nicht beschränkt und somit allgemein zulässig (RGer. LIX Nr. 101). Im übrigen ist 
die Regelung der Landesgesetzgebung überlassen (EG. Art. 16). Diese kann namentlich auch, 
wie dies in Bremen und Elsaß-Lothringen der Fall ist, neben dem Orderlagerschein einen 
Lagerpfandschein, der lediglich der Verpfändung dient, zulassen („Zweischeinsystem“). 
Literatur: G. Cohn b. Endemann III 904 ff. K. Adler, Osterreichisches Lager- 
hausrecht, 1892. F. Levy, Das Lagergeschäft, 195. Simonson, 3Z. f. PHR. XIV 550 ff. 
F. Hecht, Die Warrants, 1884. J. A. Levy, Der Warrant, 1890. Cosack Fs 101—10#. 
O. Goldberg, Das deutsche Lagerhausgeschäft u. Lagerhausrecht, 1902. A. v. Kostanecki, 
Der Lagerschein als Traditionspapier, 1902. Wimpfheimer, Der Lagerschein nach deut. R., 
1903. C. Mollwo, 3. f. HR. LVIII 373 ff. Senkpiehl, ebenda LXIX 461 ff. K. Leh- 
mann 5&s 222. Gareis #55. Cosack §§ 158—159. 
§ 85. Frachtgeschäft. 1 
1. Begriff. Die entgeltliche Ubernahme der Ausführung einer Beförderung, nach 
bürgerlichem Recht ein Werkvertrag, unterliegt als „Frachtgeschäft“ einer besonderen handels- 
rechtlichen Ordnung, wenn sie entweder handelsgeschäftliche Güterbeförderung zu Lande oder
	        
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