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treten auch die nachfolgenden Frachtführer in die skripturrechtliche Verpflichtung ein (5 449).
Näher geregelt und zum Teil erheblich abgeschwächt ist die Haftung- des Frachtführers aus
dem Ladeschein des Binnenschiffahrtsrechts (BSchG. §# 73—76). Der Frachtführer muß hier
die Richtigkeit der im Ladeschein enthaltenen Bezeichnung der Zahl, des Maßes oder des Ge-
wichtes der verladenen Güter vertreten, wenn er sich nicht durch den Zusatz „Zahl, Maß, Gewicht
unbekannt" oder ähnlich geschützt hat; und er darf diesen Zusatz nicht machen, wenn der Absender
bereit ist, die Zuzählung, Zumessung oder Zuwägung auf seine Kosten vorzunehmen. Da-
gegen haftet er für die richtige Bezeichnung der Güter selbst nur, wenn er nicht nachweist,
daß die Unrichtigkeit bei Anwendung der Sorgfalt eines „gewöhnlichen“ Frachtführers nicht
erkennbar war, ja, bei Gütern, die ihm laut Ladeschein verpackt oder in geschlossenen Gefäßen
übergeben sind, in Ansehung des Inhalts nur dann, wenn ihm bösliche Handlungsweise nach-
gewiesen wird. Auch beschränkt sich, von dem Falle böslicher Handlungsweise abgesehen, seine
Ersatzpflicht auf Grund der Nichtübereinstimmung der Güter mit den Angaben des Ladescheins
auf den sich aus dem Unterschiede ergebenden Minderwert. Übermimmt er Güter, deren Be-
schädigung, schlechte Beschaffenheit oder mangelhafte Verpackung bei der Verladung äußerlich
erkennbar ist, so hat er den Mangel im Ladeschein zu vermerken, widrigenfalls er dem Em-
pfänger für den Minderwert verantwortlich ist.
Der Ladeschein ist femer ein Waren papier, das den Anspruch auf Herausgabe
des Frachtguts verkörpert. Daher ist zum Empfange des Gutes der und nur der legitimiert,
den der Ladeschein oder das Indossament dazu beruft; er hat hier schon vor der Ankunft des
Gutes das sonst dem Absender zustehende Verfügungsrecht, während der Frachtführer einer
Verfügung des Absenders ohne Rückgabe des Ladescheins nicht Folge leisten darf, widrigen-
falls er dem rechtmäßigen Papierbesitzer für das Gut haftet (& 447). Daher braucht ferner
der Frachtführer nur gegen Rückgabe des Ladescheins und Empfangsbescheinigung auf dem-
selben zu liefem (s 448). Daher vertritt endlich die Übergabe des Ladescheins auch sachen-
rechtlich die Ubergabe des Guts (oben § 70 Z. 2).
Literatur: Thöl, Handelsrecht III. Schott b. Endemann III 289 ff. Eger,
Das deutsche Frachtrecht, 3 Bde., 1888 ff. Pappenheim, Transportgeschäft nach dem Entw.
eines H#GB., 1896. affé, Der Briefbeförderungsvertrag, 1897. K. Lehmann ## 198
bis 208. Gareis 556. Cosack ## 114 ff.
§ 86. Beförderung von Gütern und Personen auf den Eisenbahnen.
1. Uberhaupt. Die Beförderung von Gütern auf den Eisenbahnen ist als Fracht-
geschäft den Vorschriften des HGB. unterworfen; wenn es sich aber um eine Eisenbahn
handelt, die dem öffentlichen Gütewerkehr dient, gelten vielfach abweichende Rechtssätze.
Schon das alte H#B. schränkte mit Rücksicht auf das tatsächliche Verkehrsmonopol der Eisen-
bahnen durch eine Reihe von Sonderbestimmungen (Art. 422—431) beim Eisenbahnfrachtgeschäft
die Vertragsfreiheit ein. Das neue HG. schafft ein umfassendes Sonderrecht und bestimmt
allgemein, daß die durch das Frachtrecht überhaupt und das Eisenbahnfrachrecht insbesondere
den Eisenbahnen auferlegten gesetzlichen Verpflichtungen vertragsmäßig nicht ausgeschlossen
oder beschränkt werden können (I§ 471).
Das Eisenbahnfrachtrecht des HG. wird durch die Eisenbahn verkehrsordnung
ergänzt (§ 454). Darunter ist die auf Grund der deutsch. Reichsverf. Art. 45—46 vom Bundes-
rat und in übereinstimmendem Wortlaut für Bayern vom Könige erlassene „Verkehrsordnung“
zu verstehen, die zuerst i. J. 1874 unter dem Namen „Betriebsreglement" verkündigt, dann
i. J. 1892 zur „Verkehrsordnung“ umgestaltet, 1899 in neuer Fassung veröffentlicht und jetzt
zur Eisenbahnverkehrsordnung v. 23. Dez. 1908 umgegossen ist. Unter der Herrschaft des alten
HGB. war sie nur eine Verwaltungsverordnung, nach der sich die Eisenbahnen bei ihren Ver-
tragsschlüssen richten sollten; ihr Inhalt wurde also für die einzelnen Frachtgeschäfte erst durch
stillschweigende Aufnahme in den Parteiwillen wirksam. Dagegen legt ihr das neue HG#. die
Kraft einer Rechtsverordnung bei. Die Rechtsgültigkeit dieser Umwandlung wird freilich von
Laband bestritten, weil es an einer gehörigen Begründung der Verordnungskompetenz fehle.
Da aber das Gesetz deutlich den Willen zu erkennen gibt, daß die innerhalb der von ihm ge-
zogenen Schranken gemäß der bisherigen Übung von den dazu berufenen Organen unter der