Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

112 Otto v. Gierke. 
verursacht ist; sie haftet also für gemeinen Zufall und muß insoweit auch für schuldlose Hand- 
lungen ihrer Leute einstehen (§5 456 u. 458, VO. ös§ 5, 84, BV. Art. 30). Jedoch haftet 
sie, wenn ihr nicht ein Verschulden nachgewiesen wird, nicht für den Schaden aus gewissen be- 
sonderen Gefahren, die der Absender nach gesetzlicher oder tarifmäßiger Bestimmung oder einer 
in den Frachtbrief ausgenommenen Vereinbarung zu tragen hat oder tragen will (Beförderung 
in offenen Wagen oder ohne gehörige Verpackung, eigenes Auf= und Abladen des Absenders 
oder Empfängers, Beförderung von Natur verderblicher Güter und lebender Tiere, Gefahren, 
zu deren Abwendung ein Begleiter beigegeben wird); dabei spricht die Vermutung dafür, daß 
ein entstandener Schade, der den Umständen nach aus der betreffenden Gefahr entstehen konnte, 
aus ihr entstanden ist (8 459, VO. §§ 62, 82—86, BV. Art. 31). Die Haftung der Eisenbahn 
ist überhaupt ausgeschlossen, wenn nicht oder nur bedingungsweise zur Beförderung zugelassene 
Güter unter unrichtiger oder ungenauer Bezeichnung aufgegeben sind (§ 467, VO. § 96). — 
Hinsichtlich der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes gelten gleiche Regeln wie bei anderen 
Frachtgeschäften mit der Abweichung, daß bei der Berechnung der gemeine Wert zur Zeit und 
am Orte der Absendung, nicht der Ablieferung zugrunde gelegt wird (F 457, VO. 5 88). Doch 
wird einerseits, soweit nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt, die Ersatzpflicht bei ge- 
wissen Gütern durch Normalsätze für nicht zu ersetzenden Gewichtsverlust und bei der Beförderung 
zu Ausnahmetarifen und von besonders kostbaren Gegenständen durch Höchstbeträge beschränkt 
(§5 460—462, VO. §§ 87, 89, 95, BV. Art. 3, 32, 35, 41). Anderseits kann durch gehörige An- 
gabe des Interesses der Lieferung im Frachtbrief der Ersatz eines höheren Schadens bis zu 
dem angegebenen Betrage (jedoch innerhalb der Grenzen des etwa wirksam festgesetzten Höchst- 
betrages) gesichert werden (§ 463, VO. ös 92—93). — Die Geltendmachung der Ansprüche wegen 
verborgener Mängel ist der Eisenbahn gegenüber dadurch bedingt, daß binnen einer Woche nach 
der Annahme entweder bei Gericht oder schriftlich bei der Eisenbahn Untersuchung beantragt 
wird (§ 464, VO. 88 82—83, 97, BV. Art. 44). 
Für Verspätung haftet auch die Eisenbahn nur, wenn sie nicht ihre Schuldlosigkeit 
beweist; der Schadensersatz wird, sofern nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt, durch 
den gehörig im Frachtbriefe angegebenen Betrag des Interesses an der Lieferung und in Er- 
mangelung einer solchen Angabe durch den Betrag der Fracht begrenzt (§ 466, VO. ö§s 75, 92 
  
bis 94 
*5 Eisenbahn kann, wenn der im Frachtbrief angegebene Ablieferungsort nicht an der 
Eisenbahn liegt, für die Beförderung von der letzten Eisenbahnstation an ihre Haftung auf die 
eines Spediteurs herabsetzen (§ 468, VO. §5 85, VB. Art. 30). 
Im Falle der Beförderung durch mehrere aufeinanderfolgende Eisen- 
bahnen auf Grund desselben Frachtbriefs können die Ansprüche aus dem Frachtvertrage 
nur gegen die erste oder die letzte Bahn oder diejenige Zwischenbahn, auf deren Strecke sich 
der Schade ereignet hat, eingeklagt werden; das Wahlrecht erlischt mit der Klage (§ 469, 
VO. §& 100, BV. Art. 27—28). 
5. Reisegepäck. Der Frachtvertrag über Reisegepäck wird ohne Frachtbrief durch 
Annahme des. Gepäcks und Aushändigung eines Gepäckscheins geschlossen. Der Gepäckschein 
ist Legitimationspapier. Die Haftung der Eisenbahn richtet sich nach den gewöhnlichen Regeln; 
doch haftet die Eisenbahn für Verlust nur, wenn das Gepäck binnen 8 Tagen nach Ankunft des 
Zuges auf der Bestimmungsstation abgefordert wird; auch gelten besondere Bestimmungen 
hinsichtlich der Festsetzung von Höchstbeträgen. Für nicht aufgegebenes Reisegepäck haftet die Eisen- 
bahn nur, wenn ihr ein Verschulden nachgewiesen wird. (HG#. F 465, 466 Abs. 2 S. 2; VO. 
88 30—39) — Ahnliche Regeln gelten für su, das auf Gepäckschein oder besonderen Be- 
förderungsschein befördert wird (VO. 88 40 43 
6. Verjährung. Die einjährige S ist hier auf Ansprüche der Eisenbahn 
auf Nachzahlung von Fracht oder Gebühren und auf Ansprüche gegen die Eisenbahn auf Rück- 
erstattung von Fracht oder Gebühren erstreckt, insofern der Anspruch auf unrichtige Anwendung 
der Tarife oder auf Rechenfehler gestützt wird; die Verjährung aller Ansprüche gegen die Eisen- 
bahn wird durch schriftliche Anmeldung bei der Eisenbahn gehemmt. (HGB. 8 470, VO. 88 71, 98; 
etwas anderes BV. Art. 45 46).
	        
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