Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Wechsel- und Scheckrecht. 145 
ins 19. Jahrhundert hinein den Bankiers (Siena 1644 und 1692) oder den Kaufleuten (Sar- 
dinien 1770, Preußen, Württemberg, Hannover) vorbehalten. 
Während ursprünglich der Wechsel sich an den Münzumtausch angelehnt hatte, kann in 
der Gegenwart jede Verbindlichkeit aus irgendwelchem Rechtsverhältnis die Form des abstrakten 
Wechselversprechens annehmen, und die Neigung hierzu ist jetzt in höchstem Grade im Verkehr 
verbreitet. (Kühns, Bedeutung des Wechsels im Geschäftsverkehr, 2. Auflage.) 
Mit der Beseitigung des Zinsverbots verloren auch die Platztratte und der Eigenwechsel 
ihren Makel. Immerhin blieb die Platztratte in vielen Ländern noch lange, in Frank- 
reich bis 1894, unzulässig, während der Eigenwechsel, trotz seiner gesetzlichen Anerkennung 
(Frankreich 1664, England 1705), dem Kaufmannsstande, von Osteuropa abgesehen, unsympathisch 
blieb; nach vielen Gesetzgebungen darbt er sogar des Wechselnamens und muß mit anderen Be- 
zeichnungen (billet à ordre, promissory note, vale, pagaré, Orderbillet, Promesse an Ordre) 1 
vorlieb nehmen. 
§ 3. Die Rechtsquellen des Wechselrechts. 
I. Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts beruhte das Wechselrecht hauptsächlich auf dem 
überall wesentlich gleichörmigen Gebrauch (Wechselstil der Kampsoren) und auf der Praxis 
der Gerichte. Nur einzelne Normen fanden in die Statuten von Städten (Avigon um 1326, 
Barcelona 1394, Bologna 1454 und besonders von Genua 1588), Kaufmanns= resp. Wechsler- 
gilden (Parma 1255, Florenz (artis cambü sanctiones) 1299 resp. 1355 und 1395, Monza 1331, 
Lucca 1376, Barcelona 1394, Mailand 1396, Brescia 1429, Bergamo 1457 und 1491), sowie 
in die Meßprivilegien (1295 ff. für die Champagne) und Meßordnungen (Besancon 1597—1636) 
Eingang, 
Mit der zunehmenden Bedeutung der Außermeßwechsel und mu der Erstarkung der 
Staatsgewalt ergingen zahlreiche lokale Wechselordnungen, die trotz vielfacher Anlehnung an- 
einander eine arge Zerklüftung des Wechselrechts zur Folge hatten. Heworragen in Italien 
die von Pius V. (1569) bestätigten resp. ergänzten Kaufmannsstatuten von Bologna (1509 
und 1550) und die 10 Pragmatiken von Neapel (1562—1648). 
In Frankreich erging im März 1673 unter Colberts Auspizien und unter der Haupt- 
redaktion Savarys die berühmte Ordonnance du commerce, welche in Titel 5 und 6 das 
Wechselrecht unter Aufrechterhaltung einzelner unberechtigter Beschränkungen (z. B. der 
Ortsverschiedenheit) regelt. Das alte Deutsche Reich stellte nur im jüngsten Reichsabschied 
von 1654 7F 107 (fälschlich Reichswechselordnung genannt) und in dem nicht publizierten Reichs- 
schluß von 1671 §& 5 etliche höchst dürftige Sätze auf. 
Um so fruchtbarer war die Gesetzgebung der deutschen Städte und Länder; von 1603 
bis 1844 sind 94 W0O. erlassen worden. 
Aus der UÜberfülle partikularer und oft revidierter Wechselgesetze ragen hewor: der Stadt 
Hamburg Gerichtsordnung und Statuten von 1603, modifiziert 1605, teilweis nach dem Vor- 
bild der Antwerpener Costumen von 1582, die Wechselordnungen von Braunschweig, Augsburg, 
Frankfurt und Leipzig (1682), sowie ganz besonders das Allg. Landrecht für die Preuß. Staaten 
von 1794, dessen ausführliche wechselrechtliche Normen (nicht weniger als 537 Paragraphen 
im achten Titel des zweiten Teils) auch materiell einen bedeutsamen Fortschritt, besonders in 
den ##s 835, 1156 und 1169, bekunden und unter dem Einfluß der Hamburger Büsch und 
Sieveking entstanden. find. 
Von der höchsten Bedeutung wurde der französische Code de commerce, dessen wechsel- 
rechtliche Bestimmungen (livre I tit. 8 A. 110—189) am 11. September 1807 angenommen 
am 21. September publiziert wurden und mit dem ganzen Gesetzbuch am 1. Januar 1808 in 
Kraft traten; sie beruhen im wesentlichen auf der Ordonnance du commerce, sind durch knappe 
Formulierung ausgezeichnet, für ihre Zeit vortrefflich, aber engherziger als das Preußische 
Landrecht. Sie gehen von der Auffassung aus, daß der Wechselbrief nur ein Beweis= und ein 
(nicht einmal immer erforderliches) Ausführungsmittel eines der Ausstellung vorausgehenden 
Wechselvertrages sei; dieser contrat de change bestehe in der Übernahme der Verpflichtung, 
—. 
1 Trumpler S. 175. 
Encyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band III. 10
	        
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