Wechsel- und Scheckrecht. 147
landesrechtlichen Normen über die Proteststunden sind infolge des Reichsgesetzes vom 30. Mai
1908 beseitigt.
Durch Reichsgesetz vom 29. Mai 1868 (Aufhebung der Schuldhaft) sind Art. 2 sowie
die beiden ersten Nürnberger Novellen außer Wirksamkeit getreten. Die Umarbeitung, welcher
infolge der Kodifikation des deutschen bürgerlichen Rechts zahlreiche Reichsgesetze unterzogen
wurden, ließ die DWO. fast ganz unberührt; nur ein Artikel (80) wurde durch CG. zum HGB.
vom 10. Juli 1897 (Art. 8 Z. 2) aufgchoben.
Dagegen brachte das oben bereits erwähnte Reichsgesetz vom 30. Mai 1908, betreffend
die Erleichterung des Wechselprotestes (die sog. Protestnovellet) nicht nur die lang-
begehrte Protestreform, insbesondere die Einführung des Postprotestes, sondern auch mehrere
andere wichtige Anderungen (in bezug auf Domizilwechsel, Teilzahlung, Proteststunden, Inter-
ventionsprotest u. a. m.); es ermächtigt überdies in § 5 den Reichskanzler, den Text der WO.,
wie er sich aus allen bisherigen Abänderungen ergab, unter der (gegen früher verkürzten) UÜber-
schrift „Wechselordnung“ bekannt zu machen. Diese Bekanntmachung der neuen Fassung ist
am 3. Juni 1908 im Reichsgesetzblatt erfolgt.
Die Wechselstempelsteuer, die schon durch Bundesgesetz vom 10. Juni 1869 ein-
heitlich geregelt worden, wurde wiederholt durch Reichsgesetz (vom 4. Juni 1879, 4. März und
15. Juli 1909) abgeändert; dazu ergingen Ausführungsbestimmungen des Bundesrats, zuletzt
am 26. Juli 1909.
Auf den Wechsel prozeß beziehen sich R3 PO. ö 4 Abs. 2, 110, 202 Abs. 2 Z. 5, 538,
592—605 und 708, sowie GVG. 5 101 Nr. 2 und 202; auf die Wechsel-Amortisation
RBPO. 8§ 946—958, 1003—1022. Endlich enthält die Reichskonkursordnung in 88 34 und 145
besondere Vorschriften für den Wechsel im Konkurse.
Zur Ergänzung kommen, falls dem Wechselversprechen ein Handelsgeschäft zugrunde
liegt, die Regeln des HG., sonst die Bestimmungen des BGB. zur Anwendung, immer aber
nur dann, wenn diese Bestimmungen nicht mit dem Wesen und dem Zwecke des Wechselrechts
in Widerspruch treten (Ternburg). Nur unter der gleichen Beschränkung könnte Reichs-
gewohnheitsrecht ergänzend zur Geltung gelangen, partikulares Gewohnheitsrecht dagegen
überhaupt nicht.
Soweit nicht die Wechselordnung nach Wortlaut oder Sinn: abweichende Abreden aus-
drücklich gestattet, sind die gesetzlichen Bestimmungen zwingender Natur. Unterwerfung unter
ausländisches Wechselrecht ist durch Domizilierung des Wechsels möglich 3.
Die DW. sieht im Gegensatz zum französischen Wechselrecht in dem Wechselbrief nicht
ein bloßes Ausführungsmittel eines contrat de change, sondern vielmehr den alleinigen Träger
des Wechselversprechens, das von dem materiellen, der Ausstellung oder Einlösung zugrunde
liegenden Rechtsverhältnisse unabhängig ist .
III. Um dieser und anderer Vorzüge willen wurde die DWO. auch außerhalb des
Deutschen Bundes adoptiert oder doch frei verwertet. Als Länder enger Anlehnung
sind zu bezeichnenö: Osterreich (Patent vom 25. Januar 1850)8, Liechtenstein (1858), Finnland
(29. März 1858), Bosnien und die Herzegowina (1883), die Schweiz (BG. über das Obl.-R.
vom 14. Juni 1881 resp. 30. März 1911 Art. 720 ff.), Ungarn (nebst Kroatien-Slavonien),
(Gesetzesartikel XXVII vom 5. Juni 1876), Bulgarien (Handelsgesetz 29. Mai 1897), die drei
ber den Vorentwurf vgl. meinen Aussatz in Z. f. HR. 59 S. 104 ff. — UÜber die Not-
wendigkeit einer allgemeinen Revision der Wechselordnung vgl. Rießer in Z. f. HR. 33 Bei-
lageheft S. 104 ff., auch das Referat über meinen Vortrag im 39. Jahresbericht der Berliner
Jurist. Gesellschaft 1897/1898, sowie besonders Bernstein, Die Revision der WO., 1900.
„ Cosack S. 212. Vgl. Beyer in Z. f. HR. 34 S. 1ff. Lehmann S. 612.
* Meili, Das internat. Zivil= u. Handelsrecht II S. 330.
Udber Frankreich und England vgl. oben § 1 N. 2.
* Trumpler S. 1.
Uber die V. v. 2. Nov. 1858 vgl. oben im Text die Bemerkung bez. der Nürnberger Novellen;
es kommen noch hinzu das Ges. v. 19. Juni 1892 (sog. Jasinskische Novelle), das Einf.-Ges.
zur 8#O., sowie die Konkursordnung. Vgl. Adler, Osterr. W# S. 13. Felix Meyer,
Weltwechselrecht I, 1909, S. 12.
10“