Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

204 Trumpler. 
7. Legislaturperiode, II. Session 1887/88). Einzelne bedauerliche Vorkommnisse, wie der 
Zusammenbruch bedeutender inländischer Bankhäuser, Depotveruntreuungen, spekulative Aus- 
schreitungen sowie Zahlungseinstellungen ausländischer Staaten, deren Papiere an den deut- 
schen Börsen gehandelt werden, gaben weiterhin Anlaß zu Anträgen im Reichstag, wonach 
die verbündeten Regierungen um die Vorlage eines Gesetzentwurfs ersucht wurden, der dem 
Börsenspiel entgegentreten und die Börse unter staatliche Aufsicht stellen sollte (Reichstags- 
drucksachen Nr. 528, 531, 8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92). Infolgedessen berief der 
Reichskanzler unter dem 6. Februar 1892 eine Kommission unter dem Vorsitz des damaligen 
Reichsbankpräsidenten Koch, die aus Vertretern der beteiligten Bundesregierungen, der Wissen- 
schaft, der am Börsenhandel beteiligten Kreise und aus Parlamentariern bestand. Die Kom- 
mission erstattete ihren Bericht unterm 11. November 1893. Beigegeben sind ihm die umfang- 
reichen Materialien, welche über in- und ausländische Börsenverhältnisse, Kursbewegung, Recht- 
sprechung usw. zusammengebracht wurden, sowie die stenographischen Berichte über die Aus- 
sagen der 115 Sachverständigen, welche von der Kommission vernommen wurden (Bericht der 
Börsen-Enquete-Kommission, gedruckt in der Reichsdruckerei 1893). Der Entwurf eines Börsen- 
gesetzes, welchen die verbündeten Regierungen unter dem 3. Dezember 1895 dem Reichstag 
zugehen ließen, gründete sich im wesentlichen auf die Vorschläge der Börsen-Enquete-Kommission. 
Weiter ging er insbesondere insofern, als er das Börsenregister, welches die Enquetekommission. 
nur für den Börsenhandel in Waren vorgeschrieben hatte, auch auf den Handel in Wertpapieren 
ausdehnte. Bei den Beratungen im Reichstag wurde der Entwurf erheblich verschärft, ins- 
besondere dadurch, daß der Börsenterminhandel in Anteilen von Bergwerks= und Industrieunter- 
nehmungen und in Getreide und Mühlenfabrikaten verboten wurde. Das Börsengesetz 
wurde unter dem 22. Juni 1896 erlassen und trat am 1. Januar 1897 in Kraft. 
Durch die spätere Veränderung des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts wurden 
verschiedene Abänderungen des Gesetzes notwendig, die durch Artikel 14 des EG. zum HGB. 
vom 10. Mai 1897 vorgenommen wurden; insbesondere fiel der Abschnitt V betreffend das 
Kommissionsgeschäft weg, dessen Bestimmungen von dem Handelsgesetzbuch übernommen 
wurden, und es wurden die Bestimmungen über die Kursmakler revidiert. 
Während das Gesetz namentlich in seinen organisatorischen Bestimmungen sich im all- 
gemeinen bewährt hat, erwiesen sich die Bestimmungen über den Börsenterminhandel als ein 
Fehlschlag. Nach längeren Kämpfen kam schließlich unter dem 18. Mai 1908 mit Wirksamkeit 
vom 1. Juni 1908 die Novelle zum Börsengesetz zustande, die den Charakter eines 
Kompromisses trägt. Während die die Fondsbörse betreffenden Bestimmungen eine wesent- 
liche Milderung erfuhren, wurden die Bestimmungen über den Getreideterminhandel unter 
anderem durch Strafandrohungen verschärft. 
2. Nach §1 des BG. bedarf die Errichtung einer Börse der Genehmigung der Landes- 
regierung, die auch befugt ist, die Aufhebung bestehender Börsen anzuordnen . Was unter 
einer „Börse“ zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht definiert. Die Frage ist zur gerichtlichen 
Entscheidung gelangt, als im Zusammenhang mit der Einführung des Börsengesetzes die Berliner 
Produktenbörse sich auflöste und an ihrer Stelle sich eine freie Vereinigung bildete, deren Mit- 
glieder besondere Versammlungen mit börsenähnlichem Verkehr abhielten. Von der Recht- 
sprechung wurde diese Versammlung als Börse im Sinne des Gesetzes erklärt (Entscheidung 
des Oberverwaltungsgerichts vom 26. November 1898, Samml. 34, 315 ff.). Danach sind 
Börsen regelmäßig wiederkehrende Versammlungen von Kauf- 
leuten und anderen am Handelsverkehr beteiligten Personen 
zum Zwecke des Abschlusses von Handelsgeschäften in nicht zur 
Stelle gebrachten vertretbaren Waren oder Wertpapieren. In 
dem Umstand, daß nicht individuell bestimmte Waren gehandelt werden, was zur Folge hat, daß 
diese wiederum nicht zur Stelle gebracht werden müssen, vielmehr, soweit es sich um Waren 
  
1 Vgl. hierüber und über die folgenden Abschnitte die Kommentare zum Börsengesetz von 
Nußbaum, 1910, Rehm, Trumpler, Dove, Neukamp, Schmidt-Ernst- 
hausen, Breit (auf Veranlassung des Zentralverbandes des deutschen Bank= und Bankier- 
gewerbes) mit Vorwort von Rießer 1909, Apt, Trumpler, Weißbart, Börsengesetz, 
5. Aufl. 1909, Hemptenmacher, 2. Aufl. 1908, Kahn, 2. Aufl. 1909.
	        
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