Börsenwesen. 215
ferner die Qualität der zu liefernden Waren typenmäßig bestimmt. Die Geschäfte werden
so ihres individuellen Charakters entkleidet, und es wird die Möglichkeit, für den abgeschlossenen
Gegenstand und Betrag jederzeit einen Käufer bzw. Verkäufer zu finden, außerordentlich erhöht.
Endlich kommt in Betracht, daß die Geschäfte Fixgeschäfte im Sinne des HGB. 7§ 376 sind. Der
nicht säumige Teil ist daher, ohne daß es der Stellung einer Nachfrist bedarf, berechtigt,
Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen 1. Auch dieser Umstand erleichtert den
spekulativen Verkehr, weil hier der nichtsäumige Teil des Risikos, welches die Gewährung einer
Nachfrist bei Preisveränderungen in sich schließen würde, enthoben ist.
Die Zeitgeschäfte im Effektenverkehr werden an den deutschen Börsen per ultimo ge-
schlossen (daher auch Ultimogeschäfte genannt), d. h. die Lieferung und Zahlung hat am Ultimo
zu erfolgen. Die Ultimotage werden von den Börsenbehörden im voraus für das ganze Jahr
festgesetzt, sie fallen gewöhnlich auf den letzten Tag oder einen der letzten Tage des Monats.
Bei den Geschäften „per Erscheinen“ findet die Liquidation am Erscheinungstage statt, d. h.
an dem Tage, an welchem die Stücke von der Emissionsstelle dem Markt zuge führt werden.
Im Warenverkehr werden die Zeitgeschäfte in der Regel auf längere Fristen abgeschlossen,
und zwar wird gewöhnlich ein bestimmter Monat als Lieferungstermin bezeichnet, so daß
der Verkäufer innerhalb des ganzen Monats die Ware anbieten („andienen“) kann.
Um die Lieferung bzw. Abnahme unmittelbar zwischen dem ersten Verkäufer und letzten
Käufer zu bewirken, bestehen an den verschiedenen Börsen in der Hauptsache zwei Grund-
sormen ?, die Abwickelung durch eine Zentrale und ohne eine solche unmittelbar unter den Par-
teien. Angenommen, es sei ein Posten von 15 000 Mk. Diskonto-Kommanditanteile per
ultimo Juni wie folgt verkauft worden: Von A. an B. am 1. Juni zu 185, von B. an C. am
4. Juni zu 184 ½, von C. an D. am 8. Juni zu 183 ½, von D. an E. am 21. Juni zu 184 ½.
Es ergibt sich darnach folgendes Schema:
185 184½% 183½ 184 ½
WS. B. . D. C.
Nach dem Ticketverfahren, wie es besonders an der Londoner Börse üblich ist, stellt
der letzte Käufer E. einen Lieferschein (ticket) aus, den er seinem Verkäufer D. übergibt; dieser
giriert den Schein weiter, bis derselbe in die Hände des ersten Verkäufers A. gelangt, der
hieraus ersieht, an wen er die verkauften Papiere zu liefern hat. Ein ähnliches Verfahren
besteht an den deutschen Börsen beim Getreidelieferungsgeschäft. Hier stellt aber umgekehrt
der erste Verkäufer A. einen Kündigungs= (Andienungs-) Schein aus, der weiter giriert wird, bis
er in die Hände des letzten Käufers E. gelangt 3. Rechtlich stellt sich dieses Verfahren als An-
weisung dar.
An den deutschen Fondsbörsen, an denen ein Zeithandel stattfindet, bestehen dagegen
zentrale Einrichtungen, welche die Abwickelung der Geschäfte durch Skontration oder
Clearing ermöglichen, so in Berlin der Liquidationsverein für Zeitgeschäfte, dem alle Firmen,
welche das Zeitgeschäft betreiben, angehören, ebenso in Frankfurt der Verein Kollektiv-Skontro.
Die Abwicklung geschieht hierbei in der Regel auf folgende Weise: Zwei Tage vor Ultimo reichen
die verschiedenen Firmen beim Bureau ihre Skontrobogen ein. Auf diesem Bogen wird links
in die für das betreffende Effekt vorgesehene Spalte der Nominalbetrag bzw. die Stückzahl der
Effekten, welche zu beziehen sind, rechts in die gleiche Spalte die der zu liefernden
Effekten eingetragen, während am Schluß der Saldo gezogen wird. Da in vorerwähntem Beispiel
B., C. und D. den gleichen Posten Effekten sowohl zu liefern wie zu beziehen haben, so stehen
sie per Saldo „glatt“, während die 15 000 Mk. Diskonto-Kommandit bei A. in der Spalte „zu
liefern“, bei E. in der Spalte „abzunehmen“ erscheinen. E. heftet seinem Skontrobogen gleich-
zeitig einen Empfangs= oder Lieferungsbeleg bei, d. h. einen Zettel mit der Unterschrift oder
1 Das Recht auf Rücktritt ist nach den Bedingungen der Fondsbörsen (Berlin 5 19, Frank-
furt & 16) ausgeschlossen.
: Siehe hierüber F. Schmidt, Liquidation und Prolongation im Effektenterminhandel
Leipzig 1912, der die an den verschiedenen Börsen des In= und Auslandes bestehenden Ab-
wickelungsarten eingehend darstellt.
* Vxgl. Jöhlinger a. a. O.