Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

22 Otto v. Gierke. 
strebte, nicht durchgedrungen. Die Privatgläubiger haben in das Geschäftsvermögen und die 
Geschäftsgläubiger in das Privatvermögen beliebigen Zugriff; die Aufrechnung zwischen Ge- 
schäfts= und Privatobligationen ist unbeschränkt; eine Sonderung im Konkurse findet nicht statt. 
Eine starke Steigerung erfährt die rechtliche Geschlossenheit des Geschäftes beim Handels- 
gesellschaftsgeschäft. Davon ist später zu reden. 
Ein Kaufmann kann das Subjekt mehrerer Geschäftsbetriebe sein. Handelt 
es sich dabei nur um verschiedene Betriebsstellen (z. B. Fabrik und Magazin, Werkstätte und 
Laden, Zahlungsstellen, Eisenbahnstationen, Reichsbanknebenstellen), so liegt nur ein Geschäft 
mit besonderen Bestandteilen vor. Handelt es sich umgekehrt um mehrere getrennte Geschäfte 
(z. B. ein Hotel und ein Bankiergeschäft), so sind sie voneinander in gleichem Maße (nicht, wie 
vielfach nach älterem Recht, in stärkerem Maße) gesondert, wie vom Privatvermögen des 
Inhabers. Dazwischen aber ist ein Verhältnis möglich, bei dem sich Einheit des Geschäfts und 
Mehrheit von Geschäften kombinieren. 
Dies ist das Verhältnis von Hauptgeschäft und Zweiggeschäft (Zweig- 
niederlassung, Tochtergeschäft, Filiale, Kommandite). Sie bilden zusammen ein von einheit- 
lichem Mittelpunkt aus geleitetes Ganzes. Das Zweiggeschäft aber ist zugleich ein Ganzes 
für sich, das losgelöst vom Hauptgeschäft bestehen könnte. Erforderlich hierfür ist, daß die 
Zweigniederlassung ein relativ selbständiges Handelsgewerbe mit besonderem Geschäftsbetriebe 
bildet. Das HGB. fordert aber überdies zum rechtlichen Begriff der Zweigniederlassung, daß 
sie sich an einem anderen Orte oder in einer anderen Gemeinde als die Hauptniederlassung 
befindet. Subdirektionen oder Generalagenturen von Versicherungsgesellschaften können 
Zweigniederlassungen sein. Nach positiver Vorschrift sind es die Reichsbankhauptstellen und 
Reichsbankstellen. Die Zweigniederlassung ist Zubehör des Hauptgeschäfts. Daher er- 
streckt sich im Zweifel eine Verfügung über das Hauptgeschäft auf die Zweigniederlassung. 
Auch darf ihre Eintragung erst nach Eintragung der Hauptniederlassung und jede Eintragung 
bei ihr erst nach der entsprechenden Eintragung bei der Hauptniederlassung erfolgen. Zugleich 
aber ist die Zweigniederlassung ein besonderes Geschäft. Darum ist sie besonders einzutragen. 
Sie hat ihren eignen Sitz. Für sie kann und muß unter Umständen eine besondere Firma 
geführt werden. Auch ist die Erteilung einer besonderen Prokura für sie möglich. 
Literatur: v. Völderndorff in Endemanns Handb. I 181 ff. Behrend I 
202 ff. Cosack K 14. K. Lehmann 5 24. Gareis § 15. Grave, Das kaufmännische 
Geschäft, 1905. v. Ohmeyer, Das Unternehmen als Rechtsobjekt, 1906. Pisko, Das 
Unternehmen als Gegenstand des Rechtsverkehrs, 1907. Müller-Erzbach, Die Erhaltung 
des Unternehmens, Z. f. HR. LXI 351 ff. — Agricola, Die Zweigniederlassung, in Sieben- 
haars Arch. XII 279 ff. Brendel, Die rechtliche Natur der Zweigniederlassung, in Gruchots 
Beitr. XXXIII 213 ff. W. Schulze, Die Zweigniederlassung, im Sächs. Arch. f. b. R. VII 
265 ff., 359 ff. O. Denzler, Die Stellung der Filiale im internen und internationalen Privat- 
rechte, Zürich 1902. 
§ 21. Wechsel des Geschäftsinhabers. Das Geschäft kann unter Lebenden und von 
Todes wegen auf ein anderes Subjekt als „Geschäftsnachfolger“ übertragen werden. Hierbei 
vor allem macht sich die objektive Einheit des Geschäftes geltend. 
1. Veräußerung. Geschäfte werden veräußert. Sie werden verkauft, vertauscht 
oder verschenkt, bei der Erbauseinandersetzung von einem Miterben oder bei der Auflösung 
einer Gesellschaft von einem Gesellschafter übernommen. Auch kann an einem Geschäft ein 
Nießbrauch bestellt und es kann ein Geschäft verpachtet werden, wobei gleichfalls ein Wechsel 
des Prinzipals eintreten kann und insoweit ähnliche Grundsätze wie bei der Veräußerung gelten. 
Der schuldrechtliche Vertrag kann sich auf die Veräußerung des Geschäftes 
als eines Ganzen richten. Soll die Firma fortgeführt werden, so muß er diesen Inhalt 
haben, da die Firma nur mit dem Geschäft im ganzen übertragen werden kann. Ist Ver- 
äußerung im ganzen gewollt, so erstreckt sie sich im Zweifel auf alle Geschäftsbestandteile, daher, 
obschon darüber viel Streit herrscht, auch auf die Aktiva und Passiva. Nur die Firma muß 
ausdrücklich einbegriffen werden. Es ist aber auch möglich, das Geschäft im ganzen mit Vor- 
behalt einzelner Bestandteile, folglich auch mit Ausschließung aller oder gewisser Forderungen 
und Schulden zu veräußern. Somit kann die lbernahme der Geschäftsschulden auch dann
	        
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