Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

266 J. Kohler. 
Das Berufungsgericht kann die Sache nach allen Seiten hin prüfen; auch haben die Parteien 
das Recht, neue Tatsachen und Beweise vorzubringen. Es entscheidet bestätigend oder ab- 
ändernd; nur ausnahmsweise kann oder soll es aufheben und die Angelegenheit an das Land- 
gericht zurückverweisen. 
Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist unter Umständen die sogenannte Re- 
vision an das Reichsgericht möglich, jedoch regelrecht nur, wenn die Reichsgerichtssumme von 
4000 Mk. gegeben ist. Die Einlegung der Revision hat mehrere Eigenheiten; insbesondere muß 
während einer besonderen Frist eine Revisionsbegründungsschrift eingereicht werden. Im 
übrigen können in der Revision nur Rechtsmängel gerügt werden, und auch diese nur, soweit 
es sich um revisible Rechtsnormen handelt (Reichsrecht, auch Landesrecht von größerem ört- 
lichem Umfang). Das Reichsgericht wird in vielen Fällen in der Lage sein, die Sache selbst 
zu entscheiden; in anderen muß es sich darauf beschränken, das Urteil der vorigen Instanz auf- 
zuheben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung zurückzuverweisen. — 
Wesentlich anders gestaltet sich das Verfahren, wenn der Beklagte im Prozeß ausbleibt: 
dann wird auf Antrag des Klägers ein Versäumnisurteil erlassen, welches davon ausgeht, daß 
die Klagtatsachen als feststehend angesehen werden. Gegen das Versäumnisurteil ist der Ein- 
spruch zulässig, worauf die Sache, wenn beide Teile erschienen sind, nach den obigen Grund- 
sätzen weiterverhandelt wird. 
In kleineren Streitsachen beim Amtzgericht entwickelt sich die Angelegenheit etwas ver- 
schieden. Die Parteien brauchen keinen Anwalt zu bestellen; der Kläger kann sich bei der Klage- 
erhebung, und der Beklagte bei seinen schriftlichen Prozeßhandlungen der Beihilfe des Ge- 
richtsschreibers bedienen. Der Amtsrichter hat bei der Verhandlung der Sache darauf Rück- 
sicht zu nehmen, daß die Parteien möglicherweise rechts= und geschäftsunkundig sind: er 
muß ihnen daher, ohne daß er seine unparteiliche Stellung verläßt, die nötigen Belehrungen 
geben und durch Befragen dahin wirken, daß ihre Erklärung deutlich und vollständig ist. 
Gegen das Urteil des Amtsgerichts gibt es eine Berufung an das Landgericht, aber hier- 
gegen keine weitere Instanz. 
Das Vollstreckungsverfahren ist ein Verfahren für sich und folgt seinen besonderen Regeln. 
Es setzt voraus, daß ein Vollstreckungsantrag gestellt wird, und daß das Gericht Gerichtsbarkeit 
hat. Der Antragsteller muß einen vollstreckbaren Titel für sich anrufen: nulla executio sine titulo. 
Etwas Besonderes gilt von den Verfahrensweisen, welche nicht dem Grundsatz des Partei- 
prozesses, sondern des Untersuchungsprozesses huldigen; so von dem amtsgerichtlichen Ent- 
mündigungsverfahren, dem Aufgebotsverfahren und einigem anderen. 
A. Entscheidungsprozeß. 
Erstes Buch. 
Elemente. Prozeßorgane und Prozeßformen. 
I. Prozeßorgane. 
A. Mitwirkende Privatpersonen. 
8 12. Die Prozeßorgane sind: 
1. mitwirkende Privatpersonen, 
2. Gericht und Organe des Gerichts. 
Die Privatpersonen sind im Parteiprozeß die Parteien und ihre Gehilfen, im Unter- 
suchungsverfahren die Beteiligten. Von beiden gilt, daß sie Parteifähigkeit und Prozeß- 
fähigkeit besitzen müssen; auch muß die Erscheinungsmöglichkeit gegeben sein.
	        
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