Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Zivilprozeß- und Konkursrecht. 273 
mit einer Partei verwandt ist, das Zeugnis ablehnen, und wenn mehrere Kläger oder Beklagte 
in verbundenen Prozessen auftreten, so kann der Verwandte auch nur eines dieser Kläger oder 
Beklagten das Zeugnis ablehnen, weil eine Ausscheidung der Aussage hier kaum möglich ist 
(&& 376, 383, 384 3PO.). 
Ausnahmsweise gibt es Fälle, wo das Verweigerungsrecht überboten wird durch eine 
Steigerung der Zeugnispflicht. Wer sich seinerzeit als Geschäftszeuge zuziehen ließ, kann weder 
wegen Verwandtschaft noch wegen Vermögensinteresses das Zeugnis ablehnen. Ebensowenig, 
wer ein Recht übertragen hat und über dieses Recht als Zeuge vernommen werden soll, ebenso- 
wenig der Vertreter, der im Prozeß des Geschäftsherrn zu vernehmen ist. Der Grund ist der: 
alle diese Personen haben die Wahrung der Interessen besonders übernommen; sie haben eine 
besondere Treupflicht, für den Beweis zu sorgen, und diese Treupflicht überwiegt zwar nicht 
alle, aber doch viele Rücksichten, die sonst zur Ablehnung berechtigen. 
Eine weitere Ausnahme war schon im kanonischen Recht festgesetzt, sofern es sich nämlich 
um den Beweis von Familienverhältnissen handelt, z. B. bei Geburten und Todesfällen. Dieser 
Beweis kann vielfach nur durch nahe verwandte Personen und durch solche geführt werden, die 
vermögensrechtlich beteiligt sind; darum kann auch hier der Beweis nicht aus den obigen zwei 
Gründen abgelehnt werden (§ 385 Z PO.). 
Mitunter wird die Zeugenpflicht durch die gewerbliche Stellung gesteigert; dahin gehört 
die alte seerechtliche Pflicht der Seeleute, bei der sogenannten Verklarung eidliche Aussagen 
zu machen (5 525 HGB., J+ 42 SeemannsO.) 1. 
Der Zeugniszwang geht auf Zeugenaussage nach Maßgabe der Wahrnehmungen und 
entsprechendenfalls auf Beeidigung. Eine Pflicht der Nachforschung hat der Zeuge nicht, ab- 
gesehen von der Pflicht der Einsicht seiner eigenen Notizen, soweit dies nicht mit außergewöhn- 
licher Mühewaltung verbunden ist (RG. Bd. 48 S. 392). 
Die Sachverständigenpflicht ist eine weniger strenge; Sachverständiger braucht einer, der 
nicht dazu angestellt ist und sich nicht bereiterklärt hat, nur zu sein, wenn er öffentlich zum Zweck 
des Erwerbes ein Gewerbe oder einen Beruf treibt, der die bestimmte Kunde voraussetzt (selb- 
ständig oder als Gehilfe [RG. 50 S. 392|); sodann kann und hat ein öffentlicher Beamte das 
Sachverständigenamt abzulehnen, wenn die vorgesetzte Behörde es im Interesse des Dienstes 
untersagt (§ 407 f. ZPO.). — Alles dies ist sehr begreiflich, denn abgesehen von der schwereren 
Belastung des Sachverständigen ist der Sachverständige meist ersetzlich, der Zeuge nicht. 
Eine Pflicht Dritter, Urkunden für den Prozeß vorzuweisen, hat zeitweise bestanden und 
besteht eimit Ausnahmen) im englischen Rechte fort *. 
Bei uns gilt sie nicht mehr; bei uns hat nur derjenige vorzuweisen, der nach bürgerlichem 
Rechte vorweisungspflichtig ist, also insbesondere der Besitzer einer Urkunde gegenüber dem 
Eigentümer oder Miteigentümer, sowie der Besitzer einer sogenannten gemeinschaftlichen Ur- 
kunde gegenüber dem, zu dessen Gunsten die gemeinschaftliche Urkunde allein und miterrichtet 
ist — so wenn es sich z. B. um einen gegenseitigen Vertrag handelt und die eine Partei im Besitz 
der Vertragsurkunde ist (§ 810 BGB.). 
Steht eine solche Urkunde im Besitz eines Dritten, so muß man sie nötigenfalls im be- 
sonderen Prozeß durch Urteil und Exekution herbeischaffen, wofür im Hauptprozeß allerdings 
eine Frist gesetzt werden kann (F 428 ZPO.). Ist sie aber im Besitz einer Prozeßpartei, so 
wird die Pflicht zur prozessualischen Gebundenheit; die Urkunde wird jetzt nicht etwa zwangs- 
weise herbeigeschafft, sondern es tritt die ungünstige Prozeßfolge ein, daß das Gericht nach 
Umständen den vom Gegner behaupteten Inhalt der Urkunde als erwiesen annimmt (§ 427 
3PO.). 
Dasselbe wie bei Urkunden gilt auch bei Augenscheinssachen, aber noch mit einem Zusatze: 
dritte Personen sind dann verpflichtet, Gegenstände des Augenscheins zum Beweis vorzulegen, 
wenn die Vorlegung nötig ist, um eine strafbare Handlung zu konstatieren; denn was im Straf- 
prozeß recht ist, das ist im Zivilprozeß billig. Es wäre widersprechend, wenn der Staat die Ver- 
folgung des Verbrechens nur nach der einen Seite durch eine solche Bestimmung begünstigen 
1 Bgl. schon das Consolado del mare 54 (99) und 179 (224). 
* Gesammelte Beiträge S. 375 ff. 
Encyklopädle der Rechtswifsenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band III. 18
	        
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