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wollte, nicht auch nach der anderen, und gewiß ist die Möglichkeit der Zivilvergütung ebensogut
ein Znteresse der Offentlichkeit wie die strafrechtliche Ahndung 1. Soweit die Parteien die
Augenscheinssache zurückhalten, gilt ähnliches wie oben, ebenso wenn eine Partei etwa
pflichtwidrig den Sachverständigen an der Tätigkeit hindert — das Gericht kann hieraus die
betreffenden Schlüsse ziehen (ugl. RG. 46 S. 369).
Alle diese Beschränkungen der Vorlegungspflicht sind auf die Dauer unhaltbar. Schon
die österreichische Zivilprozeßordnung hat eine allgemeine Urkundenvorlegungspflicht unter
den Parteien bestimmt, § 303, 305, 308 und auch für Augenscheinssachen eine Regelung
geschaffen, § 318, 369; und die ungarische Zivilprozeßordnung geht noch weiter und bestimmt
eine allgemeine Vorlegungspflicht der Urkunden und der Augenscheinssachen, vorbehaltlich
einer Entschädigung des Eigentümers und vorbehaltlich des Falles, daß der Vorlegung wesent-
liche Interessen des Eigentümers im Wege stehen, § 308, 326, 342—346 2.
§ 17. Der Gerichtszwang kann nur innerhalb des Staatsgebietes geübt werden; also
nur in bezug auf Personen, welche der Zwangsgewalt des Gerichtsstaates unterworfen sind;
dies ist der Fall:
1. wenn die Personen im Staatsgebiet ibren Wohnsitz haben;
2. wenn die Personen auch nur augenblicklich im Staatsgebiet getroffen werden;
3. wenn sich die maßgebende Sache im Staatsgebiet befindet.
Der Gerichtszwang der Justiz kann innerhalb des Staatsgebietes geübt werden; aller-
dings nicht immer unmittelbar: jedes Gericht hat seinen Bezirk, in dem es tatsächlich Zwang
ausübt; will es diesen in einem anderen Bezirk geübt haben, so hat es das Gericht dieses Bezirks
zu ersuchen. Man spricht hier auch von Gerichtshilfe (Rechtshilfe), aber im uneigentlichen Sinne:
es soll hier nicht die rechtliche Macht des Gerichts über ihren Kreis erstreckt werden; es soll der
rechtlich vollkräftigen Gerichtshandlung die tatsächliche Macht gegeben werden, die sie nötig hat.
Daher der Grundsatz, daß diese Hilfe stets zu gewähren ist, soweit sie überhaupt gewährt
werden kann (§ 159 f. G.). Etwaige Meinungsverschiedenheiten entscheidet das Ober-
landesgericht.
§ 18. Der Gerichtszwang geht also nicht über das Inland hinaus; soll ein Gerichtszwang
außerhalb des Staatsgebietes erzielt werden, so kann dies nur in der Art geschehen, daß zum
inländischen Gerichtszwang der ausländische hinzukommt. Das kann dadurch geschehen, daß
der eine Staat seinen Gerichtszwang einem anderen zur Verfügung stellt. Ob er dies tut, hängt
von den völkerrechtlichen Beziehungen ab. Gerichtszwang in bürgerlichen Sachen, soweit es
sich nicht um Zwangsvollstreckung handelt, pflegen die Staaten sich schon geraume Zeit regel-
mäßig zu leisten; nur daß sie die Personen, welche die Gerichtshilfe zu leisten haben, wie Zeugen
und Sachverständige, regelmäßig nicht an den Prozeßort zwingen, sondern bei sich vernehmen
und zur Aussage bei sich nötigen; und auch dies nur, wenn nicht Umstände vorliegen, welche
sie nach dem Rechte dieses ihres Landes von der Zeugenpflicht befreien. Nunmehr aber ist die
Frage durch völkerrechtlichen Vertrag geregelt. Das Haager internationale Abkommen (früher
von 1896, 1897, jetzt) von 1905 gibt darüber feste Bestimmungen; es gilt zwischen Deutschland,
Osterreich- Ungam, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Italien, Spanien, Niederlande, Dänemark,
Schweden, Norwegen, Schweiz, Rußland, Rumänien und regelt
1. das Zustellungswesen,
2. bestimmt es über die Gerichtshilfe im Prozeh namensich Beweis)verfahren in
Artikel 11 folgendes:
„Die Gerichtsbehörde, an die das Ersuchen gerichtet wird, ist verpflichtet, ihm zu ent-
sprechen und dabei dieselben Zwangsmittel anzuwenden, wie bei der Erledigung eines Er-
suchens der Behörden des ersuchten Staates oder eines zum gleichen Zwecke gestellten Antrags
einer beteiligten Partei. Diese Zwangsmittel brauchen nicht angewendet zu werden, wenn
es sich um das persönliche Erscheinen streitender Parteien handelt.“
1 Wenn auf dem Gebiete des Zeugenbeweises, was das Recht der Zeugnisablehnung betrifft,
Unterschiede zwischen Zivil- und Strafprozeß herrschen, so sind dies Unterschiede im einzelnen,
nicht in den Grundgedanken. Vgl. auch meine Abhandlg. Nhein. Z. VI S. 1f.
Vgl. darüber meine Abhandlg. in Rhein. Z. VI S. 8f.