Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

290 J. Kohler. 
Beschwerung der Gerichtskanzlei, die aber nicht weiter in Betracht kommt. Das alte System 
gilt nur noch für die Nichtigkeits- und Restitutionsklage § 586, und für diese gilt noch die in 
§#§ 166, 207 B3 PO. bestimmte Erleichterung: es ist gestattet, diese Klagen durch Vermittlung 
des Gerichtsschreibers zustellen zu lassen, in der Art, daß die Einreichung bei dem Gericht- 
schreiber zwar nicht als Einlegung des Rechtsmittels gilt, wohl aber so, daß die Frist als ge- 
wahrt gilt, wenn im Laufe von zwei Wochen nach dieser Einreichung die Zustellung nachfolgt 
(§§ 166, 207 8 PO.). Mit der letzteren Beschränkung wird die Wohltat, die man dem Anwalts- 
stande erweisen will, großenteils wieder ausgehoben. Jedenfalls ist sie aber so weit als möglich 
auszudehnen: die Frist gilt durch Zustellung in den zwei Wochen als gewahrt, wenn diese 
auch, trotz des beim Gerichtsschreiber gestellten Antrags, von Anwalt zu Anwalt stattfindet 
(RG. 46 S. 390). 
Aber auch bei der Klagerhebung, wo sich im allgemeinen der unmittelbare Verkehr mit 
dem Beklagten bewährt hat, kann möglicherweise der Zeitpunkt so verhängnisvoll sein, daß eine 
Versäumung nicht wieder gut gemacht werden kann. Auch hier kann es zu den schlimmsten 
Folgen führen, wenn bei der Zustellung irgend etwas vernachlässigt wird. In besonderen Fällen 
hat die ZPO. 7 207 geholfen, nämlich, wenn die Zustellung im Auslande oder durch öffentliche 
Bekanntmachung zu erfolgen hat; hier ist bestimmt, daß die Einreichung bei Gericht und der 
Antrag, für die öffentliche Bekanntmachung das Nötige vorzukehren, die Frist wahrt, wenn 
auch erst nachträglich die Zustellung erfolgt. Man hätte aber das gleiche auch für den Fall zu- 
lassen sollen, wenn die Zustellung im Inland in nichtöffentlicher Weise zu erfolgen hat; denn 
auch hier hat die Partei und der Anwalt Klippen und Unebenheiten zu befürchten. In einem 
Falle hat man neuerdings Abhilfe getroffen: die Klage bei dem Amtsgericht erfolgt allerdings 
auch durch Zustellung an den Beklagten; die Klagschrift wird aber bei der Gerichtsschreiberei 
eingereicht, und diese sorgt von Amts wegen für die Zustellung; und wenn nun eine Frist ge- 
wahrt oder eine Verjährung unterbrochen werden soll, so wird insofern die Klageerhebung auf 
den Moment der Einreichung zurückdatiert, §55 496, 498. Wamm soll es aber nur in diesem 
Falle gelten? Es wäre doch das beste gewesen, wieder die zwei Formen der Ladung, die un- 
mittelbare und die Ladung durch den Richter, in allen Fällen zur Auswahl zu stellen. Die 
Osterr. Z8PO. hat das System der mittelbaren Klagerhebung (durch einen bei Gericht ein- 
zureichenden verbreitenden Schriftsatz) 5 226, 78, 230; ebenso die ungarische ZPO. & 129 f. 140. 
Einigermaßen wird allerdings der Formalismus gebrochen durch die Bestimmung der 
8PO., wonach, wenn die Partei trotz der Unregelmäßigkeit der Ladung in den Besitz der Schrift- 
stücke gekommen ist, das Schriftstück mindestens mit dem Moment des Besitzerwerbes als zu- 
gestellt zu betrachten ist, 5 187. Diese Bestimmung soll allerdings dem Wortlaut nach nur für 
den Fall zutreffen, daß die Partei selber erklärt, in den Besitz des Schriftstückes gekommen zu sein. 
Indes die Bestimmung muß ausdehnend ausgelegt werden: es ist Pflicht einer loyalen Partei, 
dies zu erklären, und die Erklärung ist als erfolgt zu betrachten, wenn die Partei erweislicher- 
maßen in den Besitz der Ladung gekommen ist. 
Obgleich aber bei uns die Klage durch unmittelbare Ladung erfolgt, so erfolgt sie, ab- 
weichend vom französischen Verfahren, nicht ohne Mitwirkung des Gerichts: das Gericht hat, 
bevor die Ladung erfolgt, den Termin zu bestimmen, und deshalb muß die Ladung bei Gericht 
eingereicht werden. Aber dies ist nur äußerlich; nicht hierdurch wird die Klage erhoben, sonderm 
erst mit der Zustellung, für welche, abgesehen von dem amtsrichterlichen Verfahren, die Partei 
(der Anwalt) zu sorgen hat. In Frankreich ist die Gerichtseinreichung nicht erforderlich, weil 
das Rollensystem gilt, d. h. die Klagen in der Reihenfolge, in der sie zur Rolle eingetragen 
werden, zur Verhandlung kommen. Hier bedarf es daher keines Termins und fällt daher 
die Terminbestimmung und hiermit auch die gerichtliche Mitwirkung weg 1. 
Das Rollenwesen ist in Frankreich durch Dekret vom 30. März 1808 neu geregelt worden 
(in einigem geändert am 10. November 1872). Früher war es auch in Frankreich vorgekommen, 
daß man durch sog. placets des Vorsitzenden einen unmittelbaren Termin erlangte; man befürchtete 
aber Mißbräuche. Doch hat man die Möglichkeit solches placets auch in Gebieten angenommen, 
wo sonst das französische System gilt. Gewisse Sachen kommen übrigens auch in Frankreich 
außerhalb der Rolle, Facaud, Lenteurs et frais de justice p. 113 f.; namentlich bei dem 
Seinetrib. wird die Rolle nicht immer in der Praxis beachtet.
	        
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