Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Zivilprozeß- und Konkursrecht. 303 
schlüssig, der Anspruch als unbegründet gelten, während man früher eher geneigt war, bloß 
eine absclutio ab instantia eintreten zu lassen, welche eine Emeuerung der Klage nicht ausschloß7. 
Der Beklagte hat allerdings ein Anrecht darauf, mit der Sache ein für allemal fertig zu werden. 
§ 42. Daß im Familienprozeß das Anerkenntnis nicht wirkt, ist bereits bemerkt. Das- 
selbe gilt auch von der Kongruenz; und auch was die Säumnis des Beklagten betrifft, so treten 
nicht die gewöhnlichen Grundsätze ein, sondern es findet einfach ein Abwesenheitsverfahren 
statt, wobei die Beweise in gewöhnlicher Weise erhoben werden; §3§ 618, 640, 641 und 670. 
0. Prozeßbetrieb. 
§ 43. Prozeßbetrieb ist die Tätigkeit, welche den Prozeß von einer Stufe zur anderen 
schiebt. Diese Tätigkeit kann der Partei oder dem Gericht anheimgestellt werden. Danach 
unterscheidet man Parteibetrieb und Offizialbetrieb. 
Nach den Grundsätzen des Parteibetriebes ist der französische Prozeß gestaltet, ganz dem 
alten deutschen Rechte entsprechend. Im alten deutschen Verfahren hatte man keine Akten 
und überhaupt nichts, was auf die Dauer den Richter an den Prozeß, den Prozeß an den 
Richter fesselte. Im Termin hatte der Richter Recht zu sprechen, und damit war der Prozeß 
für ihn erledigt. Dieser Rechtsspruch war nun nicht immer eine materielle Endentscheidung, 
sondern mitunter nur die Vorbescheidung eines Zwischenpunktes; trotzdem erledigte er die Sache 
für den Richter; und wenn der Prozeß weitergeführt und andere Punkte entschieden werden 
sollten, so war es Aufgabe der Parteien, immer und immer wieder den Prozeß vor den Richter 
zu bringen. Allerdings wurden schon frühzeitig Aufzeichnungen über diese Prozeßvorgänge 
gemacht, allein sie wurden nicht zu einheitlichen Akten verbunden; jeder Notar, der zur Be- 
urkundung zugezogen wurde, trug die Bemerkungen über die Prozeßvorgänge unter seinen 
Imbreviaturen ein, so daß sich die Einträge mitten unter anderen Stücken finden, und bald 
bei dem einen, bald bei dem anderen Notar ?. 
Dies hing auch noch mit folgendem System zusammen: es gab keine festen Termine für 
die einzelnen Streitsachen, sondern man meldete sie an, und man rief sie auf, wenn immer 
Gerichtstage waren; und als man anfing, regelmäßigere Gerichtsaufzeichnungen zu machen, 
verlangte man nur noch, daß die zur Verhandlung angemeldeten Sachen in eine sogenannte 
Rolle ausgenommen wurden: die Rolle wurde im Termin wo tunlich erledigt. So ist es noch 
heutzutage im französischen Prozeß (oben S. 290), und so war es in der bayrischen ZPO.: die 
Sachen wurden zur Rolle angemeldet, und im Termin kamen die auf der Rolle stehenden Sachen 
hintereinander zum Aufruf und zur Verhandlung. Und so enthält das französische System, 
das übrigens in Frankreich, namentlich am Seinetribunal, nicht mehr vollständig durchgeführt 
wird, mit dem Parteibetriebe und mit der die Reihenfolge der Rechtssachen bestimmenden 
Gerichtsrolle einen Uberrest altdeutschen Verfahrens *. 
Aber solches paßt kaum mehr in unsere Zeit. Man kommt zu besseren Ergebnissen, wenn 
die Einheit des Prozesses fest gewahrt, wenn der einmal bei Gericht begonnene Prozeß 
als Aufgabe des Gerichts betrachtet wird und darum das Gericht von selbst das Nötige vor- 
kehrt, um den Rechtsstreit in der Ordnung weiterzuführen, wie er begonnen hat. Dies 
hat man in Deutschland angenommen, sobald man zum schriftlichen Verfahren überging oder 
doch wenigstens für einzelne Prozeßhandlungen Schriftsätze erforderte; und auch die deutsche 
8PO. geht davon aus; denn nach ihr wird der Prozeß vom Gericht von selbst weiter und weiter 
getrieben, bis entweder eine Erledigung des Verfahrens erzielt oder der Prozeß unterbrochen 
wird oder ruht: solange dies nicht der Fall ist, hat das Gericht von Amts wegen Termine zur 
Fortsetzung des Verfahrens anzusetzen, bis der Prozeß zu seiner Erledigung kommt. Aller- 
dings erfolgt die erstmalige Ladung durch die Partei; sie erfolgt aber nicht nur für den einen 
Termin, Temmin, sondern für alle Termine, welche das Gericht zur Fortsetzung des Verfahrens ansetzen 
1 „: dies git jetzt nur ausnahmsweise, 8 6 638, 640 8#O. 
Bgl. Voltelini, Acta Tirolensia II S. XXIV. 
2 Dies, wie so vieles andere, ist bisher u 8 geschichtlich erkannt worden; und die 
Gegner des französischen Verfahrens wu ten meistens nicht, daß sie damit gegen ein Stück ger- 
manischen Rechtslebens ankämpften.
	        
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