306 J. Kohler.
3PO.). Die Antragsbefugnis ist ein Persönlichkeitsrecht; die Wirksamkeit des Antrags bestimmt
das Prozeßrecht ½
2. Besonderes gilt von der Prozeßfähigkeit des zu Eutmündigenden im Entmündigungs-
verfahren. Ist dieser bereits, etwa wegen Geistesschwäche, entmündigt, und soll eine Ent-
mündigung anderer Art, z. B. wegen Geisteskrankheit, erfolgen, so muß der gesetzliche Ver-
treter mit zugezogen werden (vgl. § 660 Z8 PO.). Das gleiche ist der Fall, wenn der zu Ent-
mündigende einen gesetzlichen Vertreter im Sinne des § 1906 des BGB. erhalten hat. Möglich
ist aber auch, daß der Zustand des Geisteskranken zur Geschäftsunfähigkeit geführt hat: hier
kann ein Verfahren stattfinden, während der Hauptbeteiligte prozeßunfähig ist und keinen Ver-
treter hat; denn die Aufstellung eines Vertreters nach § 1906 BG ist möglich, aber nicht not-
wendig. Endlich kann der Entmündigte und infolgedessen Geschäftsunfähige oder Geschäfts-
beschränkte nach § 675 Z PO. rechtsgültig den Antrag aus Wiederaufhebung des Verfahrens
stellen; er kann es allein, ohne seinen gesetzlichen Vertreter.
Dies sind Fälle, wo man aus der Norm herausgeht, aber mit Rücksicht auf den furcht-
baren Emst der Lage und auf die Notwendigkeit staatlicher Fürsorge.
Drittes Buch.
Prozeß als Rechtsverhältnis.
Erster Abschnitt: Parteiprozeß.
A. Rechtsverhältnis bis zum Endurteil.
I. Allgemeines.
47. Der Prozeß ist nicht bloß ein Verfahren, sondern cin Rechtsverhältnis, d. h. ein
Verhältnis, aus welchem rechtliche Folgen hervorgehen.
Der Prozeß als Rechtsverhältnis hat seine Voraussetzungen wie jedes Rechtsverhältnis;
Voraussetzungen, die entweder so wichtig sind, daß bei ihrer Ermangelung das ganze Rechts-
verhältnis nichtig ist oder angefochten werden kann, oder weniger wichtig, aber doch immerhin
so bedeutsam, daß es als Pflicht des Richters erscheint, bei Ermangelung solcher Voraus-
setzungen das Verfahren nicht weiterzuführen. Außerdem gibt es noch Urteilsvoraussetzungen,
denn die Urteilstätigkeit ist von der sonstigen Prozeßtätigkeit wesentlich verschieden. Man hat
auch von Klagevoraussetzungen gesprochen, im Gegensatz zu Prozeßvoraussetzungen; allein
das ist unzutreffend, wie sich alsbald (S. 311) ergeben wird.
Die Voraussetzungen des Prozeßverhältnisses im Parteiprozeß sind vor allem: das Vor-
handensein von Parteien, die Parteifähigkeit (Gerichtsfähigkeit), sodann die Prozeßfähigkeit
der Parteien, außerdem die Gerichtsbarkeit des Gerichts und seine Zuständigkeit, sodann die
Geeignetheit der Sache zum bürgerlichen Verfahren. Neben diesen grundsätzlichen Voraus-
setzungen, die für das Rechtsverhältnis als solches gelten, gibt es noch andere, die sich aus dem
Zusammensein und dem Zusammenstoß von Rechtsverhältnissen ergeben. Dahin gehört vor
allem, daß die Sache nicht anderwärts rechtshängig und auch nicht rechtskräftig entschieden sein
darf. Nach beiden letzten Richtungen hin hatte die frühere Theorie gefehlt: man nahm vor
meinen Ausführungen 2 an, daß die Rechtshängigkeit ebenso wie das Vorbeschiedensein der
Sache (res judicata) nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag des Beklagten berücksichtigt
werden dürfe, mit anderen Worten, daß hier nur eine Einrede im eigentlichen Sinn, eine e-
ceptio, gegeben sei. Das widerspricht den ersten Grundsätzen von der Stellung des Ge-
richts; denn dieses hätte den Parteien nach ihrem Belieben die Sache zwei-, drei= oder zehnmal
zu entscheiden, auf die Gefahr hin, daß die eine Entscheidung so, die andere anders ausfiele:
solches entspricht der Würde des Gerichts gewiß nicht. Mit Recht nimmt man denn auch neuer-
dings an, daß Derartiges von Amts wegen zu berücksichtigen ist, und dies besagt ausdrücklich die
* Prozeßrechtliche Forschungen S. 95 f. (1889).