Zivilprozeß- und Konkursrecht. 307
österreichische 8PpO., die auch hier eine sehr verständige Bestimmung hat (§ 240). Auch die
ungarische Z8 PO. läßt wenigstens die Rechtshängigkeit von Amts wegen berücksichtigen, § 180.
Aber auch die deutsche 3PO. ist in solcher Weise auszulegen, obgleich die Prozeßnovelle es
versäumt hat, in dieser Beziehung veralteten Vorurteilen entgegenzutreten; aus § 274 Z. 4 8PO.
folgt durchaus nicht, daß die Rechtshängigkeit nur auf Antrag zu beachten sei, und wenn
hier von Einrede die Rede ist, so fehlt leider der ZPO. in dieser Richtung der genaue Sprach-
gebrauch, der das BGB. auszeichnet. Im übrigen entspricht der Ausschluß der nochmaligen
Klage völlig dem Gedanken des deutschen Rechts. Frühere Rechte bestimmten sogar strenge
Strafen gegen den, der eine bereits angebrachte oder bereits entschiedene Sache nochmals aufrührt #.
Außerdem gibt es aber Fälle, die so geartet sind, daß zwar der Prozeß an und für sich als
Verhältnis feststeht, daß aber der Beklagte befugt ist, das Verhältnis, wenn nicht zu sprengen,
so doch seinen Erfolg von der Erfüllung einer Bedingung abhängig zu machen; solcher Fälle
gibt es drei: 1. wenn der Beklagte vom Kläger eine Prozeßkostensicherheit verlangen kann;
2. wenn er von ihm verlangen kann, daß die Kosten eines früheren Verfahrens zuvor entrichtet
werden sollen, falls nämlich in derselben Sache schon Klage erhoben und nach der Erhebung
zurückgenommen worden ist; 3. wenn im Aktienrecht der Beklagte verlangen kann, daß der Kläger
vor der Prozeßfortsetzung Sicherheit stellt, so namentlich bei Anfechtung eines Generalversamm-
lungsbeschlusses und bei Erhebung einer Gründerklage. Dies sind Prozeßeinreden im eigent-
lichen Sinn: der Prozeß hier ist an sich begründet, der Beklagte aber kann den Erfolg des Pro-
zesses vereiteln, falls nicht die entsprechende Leistung gemacht wird (5 274 ZPO., 5§ 269, 272,
309 H. u. a.)2.
Da der Prozeß ein Rechtsverhältnis ist, so ist
1. an sich auch ein simulierter Prozeß denkbar; allein die Simulation hätte nur dann
Simulationscharakter, wenn der Richter in die Simulation hineingezogen würde, was
nicht sein darf. Wohl aber kann unter den Parteien die gültige Abrede bestehen, daß
der Kläger vom Urteil keinen oder nur beschränkten Gebrauch machen darf, welche Ab-
rede im Fall der Zuwiderhandlung durch Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht
werden kann. Dies ist aber keine Simulation. Vgl. S. 368.
2. Die Prozeßtätigkeit kann eine Tätigkeit zum Nachteil der Gläubiger sein und dem-
gemäß in der Art angefochten werden, daß, was der eine Teil aus dem Prozeß er-
langt hat, an die Gläubiger zur Befriedigung herausgeben mußs?.
II. Klage als Rechtsgeschäft.
1. Allgemeines.
8 48. Die Klageerhebung ist ein einseitiges, ankunftsbedürftiges Rechtsgeschäft, dessen
Wirksamkeit im Persönlichkeitsrecht des Klägers begründet ist ". Sie ist ein Rechtsgeschäft,
welches die Rechtshängigkeit bewirkt, mit ihren zivilrechtlichen und prozessualischen Folgen.
Damit steht nicht im Widerspruch, daß das hierdurch begründete Verhältnis noch in Schwebe
bleiben kann und der Kläger noch in der Lage ist, die Klage zurückzunehmen, ohne auf seinen
1 So Liber. Pap. Carol. M. c. 90 (15 sol. oder 15 ictus); Breve PFisani Communis 1286
(20—100 sol.)) Nodena 1327 IV I78; Cividale (1309) a. 79; Florenz (1415) III 173,
Piacen za, Stat. merc. (13. Jahrh.) a. 594 (Nlon. hist. ad prov. Parm. pert 1 6 p. 155),
Ferrara 1534 p. 170 f. Ferner das Recht v. Schlettstadt 1292 (Acta imperü II p. 153:
wer eine res judicata secundario conqueritur. gracia nostra carebit.
: Im Falle 3 liegt eine Prozeßeinrede, allerdings keine prozeßhindernde Einrede in dem
später zu entwickelnden Sinne, vor. Eine früher viel verbreitete Prozeßeinrede war auch folgende:
wenn ein Ausländer klagte, so ließ man ihn nicht zu, wenn er nicht verbürgte, daß er sich auch einer
inländischen Klage unterwerfen wolle; vgl. Sachsensp. II1 79 & 3. Wir finden diese Einrede auch
in vielen alemannischen Rechten, so Bin zikon, Dübendorf, Dielicken (Schau-
berg, Z. f. Schweiz. Rechtsquellen, 1 S. 42, 99, 112), Pfäffikon (1427) a. 4 (CZeitschr. II
S. 62), Borsikon, Obermetmenstetten (Grimm,, Wesisth. I S. 51, 55) u. a.
* Zu 1. vgl. Sintenis, 3. f. Ziv.-P. XXX S. 368; zu 2. Menzel, Anfechtungerecht
4
. 90.
* Näheres darüber in Dernburg-Kohler Bürgerl. R. VI S. 562.
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S.