Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

308 J. Kohler. 
Anspruch zu verzichten. Nach der Prozeßordnung ist dies gestattet, solange der Beklagte in 
mündlicher Verhandlung sich nicht eingelassen, d. h. nicht die materiellen Klagepunkte beant- 
wortet hat. Daher steht insbesondere die Verhandlung über eine Prozeßeinrede der Rücknahme 
der Klage nicht im Wege. Dies ist auch sehr begründet, denn es kann völlig im Interesse der 
Sache liegen, daß dem Kläger die Möglichkeit gegeben ist, noch nachträglich von der Klage zurück- 
zutreten, wenn er sie etwa bei einem unrichtigen Gerichte erhoben hat 1. 
Nach der Einlassung kann der Kläger nicht mehr die Klage (unter Vorbehalt des Anspruchs) 
zurücknehmen; er hätte es sonst in der Macht, dem Beklagten alle erworbenen Rechtslagen zu 
entziehen, auf welche dieser ein Anrecht hat. Mit Einwilligung der Beklagten allerdings ist 
auch später eine solche Zurücknahme möglich: sie ist so lange möglich, bis ein sachliches Urteil 
erster Instanz ergangen ist; dann aber kann die Klage auch nicht mit des Beklagten Zustimmung 
zurückgenommen werden, da es nicht in der Macht der Parteien steht, ein Urteil rechtlich so zu 
behandeln, als ob es nicht ergangen wäre (51 271 Z3PO.)2. 
Als Rechtsgeschäft zeigt sich die Klage auch in folgendem: Es kann ein Irrtum in der 
Person unterlaufen, indem die Klage gegen einen anderen erhoben wird als gegen den, welchen 
die Partei will. Dies ist aber wohl zu unterscheiden von dem anderen Falle, wenn die Klage 
richtig erhoben ist, aber in bezug auf eine Person, welche der Kläger irrtümlich für den Schuldigen 
erachtet, z. B. B hat den Garten des A verwüstet; A glaubt, C sei der Schuldige, und erhebt 
gegen ihn eine Klage: natürlich ist die Klage gültig erhoben. Würde aber der Kläger annehmen, 
daß D der Täter ist, und in der Klage aus Versehen den C statt des D bezeichnen, dann wäre 
die Klage ungültig erhoben. 
Eine Klage gegen eine Streitgenossenschaft in der Art, daß die Klage gegen A, eventuell 
gegen B, eventuell gegen C erhoben wird, ist unzulässig, wohl aber in der Art, daß die Klage 
gegen A, B und C erhoben wird, wenn auch mit dem Bemerken, daß von diesen drei nur der 
eine der Schuldige sein kann und deswegen zur Verurteilung zu bringen ist. Denn hier ist nicht 
die Klage eine eventuelle, sondern eventuell ist nur der zivilrechtliche Anspruch. Eine Klage 
gegen B und C wegen eines Anspruches ist aber auch dann statthaft, wenn der Kläger zugestehen 
muß, daß unter Umständen der Anspruch nicht begründet sein kann. 
Eine unsittliche Klage kann ohne weiteres als unsittliches Geschäft zurückgewiesen werden 
(ogl. § 138 BGB.). Eine unsittliche Klage ist natürlich nicht eine Klage aus einer unsittlichen 
Veranlassung, sondern eine Klage, die auf ein unsittliches Tun gerichtet ist, z. B. eine Klage 
dahin, daß jemand zu einer Päderastiehandlung oder zur Mitwirkung am Selbstmord ver- 
urteilt werden soll 2. Eine derartige Klage ist als Nichtklage durch Beschluß zurückzuweisen. 
2. Arten der Klage. 
§ 48. Die Klagen sind Anspruchsklagen oder Feststellungsklagen; Anspruchsklagen sind 
solche, durch die ein Anspruch zur Geltung gebracht oder eine zivilistische Tätigkeit" vollzogen 
werden soll. Anspruchsklagen sind daher nicht identisch mit den Leistungsklagen, denn diese 
sind nur eine Art, wenn auch eine sehr wichtige Art der Anspruchsklagen. 
Anspruchsklagen sind auch die Anfechtungs-, Kündigungsklagen, die Rücktrittsklagen, die 
Aufrechnungs- und die Gläubiger-Anfechtungsklagen 5. Bei allen diesen wird eine Rechts- 
1 Eine gewillkürte Bedingung dagegen in der Art, daß die Folgen der Klage nur in einem be- 
stimmten Falle eintreten sollen, ist ebensowenig gestattet, wie bei sonstigen einseitigen Rechts- 
handlungen; eine solchergestalt bedingte Klage wäre mit absolutio ab instantia zurückzuweisen; 
OLcE. Köln 4. Febr. 1901, Mugdan 11 S. 254. 6 
* Dies wird völlig verkannt von dem RG., welches eine beiderseitige Klagezurücknahme auch 
in der Berufungsinstanz gestattet, RG. 5. 11. 1910 und 17. 6. 1911 JW. 40 S. 51 und 769. Vgl. 
auch Oberst. LG. München 3. 12. 1894 Seufsfert 50 Nr. 216. 
* Man hat behauptet, Derartiges käme nicht vor; wer dies behauptet, kennt das Leben wenig, 
vor allem das moderne Leben mit seinen nervösen Zuckungen. Vgl. auch Dernburg-Kohler 
VI S. 558. Im englischen Prozeß wird eine solche Klage als frivolous and vexatious and als 
abuse of the process of the Court zurückgewiesen, Cüitty, Forms in Kings Bench p. 182. 
* Richtiger gesagt: eine Prozchtätigkeit mit Zivilrechtswirkung. 
*Vagl. zum folgenden Z. f. Zivilprozeß XXIX S. 4 f. und Rhein. Zeitschr. I S. 39f. Was 
hiergegen vorgebracht worden ist, bedarf keiner Erwiderung.
	        
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