Zivilprozeß- und Konkursrecht. 309
handlung vollzogen, welche in zivilistischer Weise wirken soll, welche an sich auch außergerichtlich
geschehen könnte und nur in gewissen Fällen klagweise geschieht oder geschehen muß. So
kann die Anfechtung einer Rechtshandlung gewöhnlich durch zivilrechtliche Tätigkeit vor sich
gehen (& 143 BGB.), in mehreren Fällen aber: bei der Anfechtung einer Ehe, der Ehelichkeit
eines Kindes und bei der Anfechtung eines Erbschaftserwerbs wegen Erbunwürdigkeit (8§8 1341,
1596, 2342 BGB.), ist die klageweise Geltendmachung unumgänglich. Daß auch in anderen
Fällen die Klage zu diesem Zwecke verwendet werden kann, unterliegt keinem Zweifel; nur ist
dann die Benutzung der Klage eine bloß zufällige, keine notwendige. Auch die Kündigung erfolgt
gewäöhnlich auf zivilrechtlichem Wege; doch auch hier gibt es Fälle, wo die klagweise Vornahme
unentbehrlich ist. So vor allem die Kündigung der Ehe; denn die Ehescheidungsklage ist nichts
anderes als eine Kündigung aus bestimmtem, gesetzlichem Grunde. Auch die Kündigung einer
Gesellschaft, wenn es eine Handelsgesellschaft ist (im Gegensatz zur bürgerlichen), muß klage-
weise geschehen, sofern die Kündigung nicht eine übliche vertragsmäßige, sondern eine außer-
ordentliche ist, eine Kündigung aus gerechtfertigten Gründen. In allen diesen Verhältnissen
handelt es sich nicht um eine Bewirkungsklage, als ob durch das Urteil eine Rechtsänderung
vollzogen werden solle, sondern es handelt sich darum, daß die Rechtsänderung durch Partei-
tätigkeit vollbracht wird, indem in solchem Falle die Parteitätigkeit entweder freiwillig sich des
Prozesses bedient oder sich notgedrungen des Prozesses bedienen muß: sie wird ausgeübt durch
Klage und durch Fortführung der Klage bis zum Urteil, welches konstatiert, daß die Rechts-
änderungstätigkeit der Partei in der richtigen Weise und auf richtige Grundlage hin vollzogen
worden ist; und dies ist gerade der Vorzug dieser Form der Parteitätigkeit 1.
Die wichtigste Anspruchsklage ist allerdings die Leistungsklage, wenn jemand einen An-
spruch behauptet, auf Grund dessen er sein Recht verlangt; gewöhnlich handelt es sich um einen
Anspruch des Klägers dahin, daß eine Leistung an ihn gemacht wird. Im Gegensatz dazu steht
die Feststellungsklage :. Sie behauptet weder, daß der Kläger einen Anspruch habe, noch
sucht sie auf einen vorhandenen Anspruch einzuwirken, sondern sie will nur die Feststellung eines
Rechtsverhältnisses, entweder eines Rechtsverhältnisses an sich oder eines solchen mit den
zukünftig aus ihm hervorgehenden Ansprüchen. Sie findet aber nur statt zur Feststellung
von Rechtsverhältnissen, nicht von bloßen Tatsachen (RG. 50 S. 400), ausnahmsweise zur Fest-
stellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde (§ 256 ZPO.).
Die Feststellungsbefugnis entspringt, obgleich sic in der Prozeßordnung (§ 256) anerkannt
worden ist, dem materiellen Recht; das Recht ist das Persönlichkeitsrecht; aus ihm geht auch die
Feststellungsbefugnis hervor. Sie benutzt, wie die Anspruchsklage, den Prozeß, aber um Zwecke
des materiellen Rechts zu erreichen. Der Zweck ist aber hier der, daß im sozialen Leben Klarheit
über das materielle Recht herrscht: so wie das Gericht feststellt, so besteht das materielle Recht.
Auch hier tritt der Prozeß als Friedensinstitut ein. Eine solche Klarheit kann dringend
erforderlich sein, weil niemand vernünftigerweise vom Tag in den Tag hineinlebt, sondern alle
seine Verhältnisse mit Rücksicht auf die zukünftigen Begebnisse einrichtet und ordnet. Ich werde
darum meine Wohnungsverhältnisse ganz anders regeln, wenn ich weiß, daß am 1. Januar nächsten
Jahres ein Mietverhältnis zwischen mir und einem anderen beginnt, in welchem ich berechtigt
und verpflichtet bin; und ebenso werde ich mich ganz anders in meinen Spekulationen bewegen,
wenn ich weiß, daß in der nächsten Zeit ein Rechtsverhältnis entstehen wird, das mir die Ver-
pflichtung von 100 000 Mark auferlegt. Daraus ergibt sich für die Rechtsordnung das Erfordernis:
sobald genügende Gründe des Zweifels und der Unsicherheit vorhanden sind, kann ich die Fest-
stellung verlangen; ich kann sie verlangen, sofern der Gegner durch sein Verfahren, namentlich
—
1 Sie hatte sich schon längst im französischen Recht entwickelt und ist aus dem französischen
Verfahren uns zugekommen. Im Ehescheidungsrecht bestand allerdings früher die Vorstellung,
als sei es der Staat oder die Kirche, welche die Ehe löse; allein diese Vorstellung widerspricht der
neuzeitigen Anschauung: die Partei löst die Ehe, und das Gericht konstatiert nur, daß die Lösungs-
tätigkeit mit Wirksamkeit vollzogen ist durch Klage und Fortführung des Prozesses bis zum Urteil.
Wer sich allerdings an Worte heftet und sich für das Gegenteil auf das B# B. F 1564 steift,
(„die Scheidung erfolgt durch Urteil“), mit dessen Argumenten streiten wir nicht; denn sie beruhen
von Anfang an auf unrichtiger Methode.
: Sie ist eine altdeutsche Einrichtung, welche sich z. B. in den deutschen Ratsbüchern vielfach
nachweisen läßt, uvgl. Kohler, Zum fränkischen Recht, in der Festgabe f. Martitz S. 101.