Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

310 J. Kohler. 
durch Leugnung meines Rechts oder durch Vorkehrungen, die meinem Rechtsgenuß entgegen— 
stehen, einen begründeten Anlaß zur Befürchtung gegeben hat, daß er seinerzeit dem Rechts- 
verhältnis nicht entsprechen werde 1. 
Eine Feststellung kann auch unter mehreren Prätendenten eines Rechts stattfinden; hier 
liegt das berechtigte Interesse darin, daß die Feststellung unter diesen Prätendenten die Dritten 
dann bindet, wenn für die Dritten überhaupt nur diese zwei Prätendenten in Betracht kommen; 
aber, wenn auch noch andere in Betracht kommen, so liegt schon darin ein berechtiges Interesse, 
daß die Zahl der möglichen Prätendenten durch die Feststellung verringert und der eine von 
ihnen beseitigt wird. 
Auch eine negative Feststellung kann erzielt werden, sofern der Kläger ein Interesse daran 
hat, daß für das ganze Publikum das Nichtbestehen eines behaupteten Rechts klargelegt wird. 
Der Hauptfall ist der, wenn ein Dritter sich eines Rechtes „berühmt“, also dieses Recht vor dem 
Publikum in Anspruch nimmt, was dem Berechtigten im Genuß und in der Verfügung seines 
Rechts nicht unmittelbar, aber mittelbar hemmend ist. Man könnte hier an einen negatorischen 
Anspruch denken; allein ein solcher ist bei derartiger, nur mittelbar einwirkender Berühmung 
nicht gegeben: mein Recht wird durch Beanspruchung nicht verletzt, ich könnte solche Berühmung 
einfach in den Wind schlagen; aber die soziale Seite des Rechts wird gekränkt, wenn ich das Ver- 
trauen des Publikums nicht mehr habe und niemand mir meine Sache abnimmt, weil man an 
meinem Rechte zweifelt. Dics ist eine Störung nicht meines Rechts, aber meines Rechtsfriedens. 
Daß ich hier eine negative Feststellung begehren kann, ist echt germanisch: niemand soll meine 
Rechtsstellung im Volke verkleinern dürfen. Frühere Zeiten halfen sich mit einem Privat- 
aufgebot an den Berühmenden, daß er sein Recht geltend machen solle, ansonst er damit aus- 
geschlossen werde; dieses Privataufgebot, das mit dem später zu besprechenden Aufgebots- 
verfahren zusammenhängt, romanisierte man zur Provokation; es war die provocatio ex lege 
diffamari, weil man sie an die lex diffamari, c. 5 de ingen. manum (7, 14) anklebte. Man 
legte dem Beteiligten auf, in bestimmter Zeit sein Recht klagend geltend zu machen — sub 
poena perpetui silentüi. Unser Recht faßt die Sache anders an: man fordert nicht den Be- 
rühmenden zur Klage auf, sondern erhebt selbst gegen ihn eine (negative) Klage. Derartige 
negative Feststellungsklagen sind nicht nur in dinglichen, sondern auch in obligationsrechtlichen 
Verhältnissen möglich; denn auch hier kann ein wesentliches Interesse daran bestehen, daß das 
Publikum mich nicht für einen säumigen Schuldner hält. 
Mit diesen Bestimmungen war in der früheren Prozeßordnung die Feststellungsklage 
beschlossenz. Neuerdings hat man noch mehrere Satzungen hinzugefügt, ohne daß eigentlich 
dafür ein dringendes Bedürfnis geherrscht hätte. Man nahm früher an, daß die Feststellungs- 
klage regelrecht nur auf Feststellung, nicht auch auf künftige Leistung gerichtet werden könne, 
weil man glaubte, daß ein solches auf Leistung gerichtetes Begehren unter Umständen bedenklich 
wäre, da in der Zukunft Ereignisse eintreten können, welche die rechtliche Lage umgestalten. 
In der neuen ZPO. wurden einige Fälle hervorgehoben, wo auch schon bei der Feststellungs- 
klage auf künftige Leistungen verurteilt werden kann. Es sind dies 1. die Klage auf eine Geld- 
leistung mit kalendermäßiger Fälligkeit, sofern sie unabhängig von einer Gegenleistung ist; fermer 
2. die Räumungzklage mit kalendermäßiger Frist und 3. die Klage auf wiederkehrende Leistungen 
(auch dann, wenn sie nicht auf Geld gehen); außerdem aber soll 4. überall da auf künftige 
Leistungen geklagt werden können, wo ein Bedürfnis besteht, jetzt schon einen vollstreckbaren 
Titel zu haben. Hiermit ist nur bestimmt, was man schon aus unserem früheren Rechte ent- 
nehmen konnte, nämlich, daß die Feststellungsklage dann zugleich auf künftige Leistungen gehen 
kann, wenn dafür ein Bedürfnis spricht, und wenn eine solche Verurteilung in die Zukunft keine 
Anstände hat 3. Von besonderer Bedeutung ist dies für wiederkehrende Leistungen. Man denke 
z. B. an wiederkehrende Renten oder Alimente; wie lästig wäre es, wenn man jedesmal neu 
1 Eine solche Feststellung kann auch möglich sein, um einen Schadensersatzanspruch außer 
Zweifel zu setzen, auch wenn die Höhe der Entschädigung noch nicht ermittelt werden kann. Insofern 
g eine Klage auf Schadensersatzfeststellung salva liquidatione möglich, RG. 6. 7. 1911 JW. 40 
. 816. 
* So auch Osterreich § 228 und Jurisdiktionsnorm 3 88. 
* Gesammelte Beiträge S. 66. Vgl. auch ungarische BPO. 5 130. 131.
	        
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