Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

330 J. Kohler. 
Auch in anderen Fällen können derartige materiellrechtliche Zwischenurteile ergehen. 
So z. B. über die Frage, ob eine Einrede begründet ist, oder ob ein Erlöschungsgrund einer 
Forderung eingetreten ist, usw. Nie aber ist über eine bloße Tatsache ein Zwischenurteil statt- 
haft, sondern nur über ein aus Tatsachen zusammengesetztes juristisches Ganze. Man darf 
z. B. die Frage, ob etwas getan ist, und ob es widerrechtlich getan ist (Schuld= und Tatfrage), 
nicht auseinanderzerren; denn erst durch die Verbindung beider entsteht eine juristische Ge- 
staltung, und die Verbindung ist eine so innige, daß sie nicht ohne Schaden des Ganzen aus- 
einandergerissen werden kann. 
Ubrigens ist die ganze Lehre der Zwischenurteile unnötig verwickelt, und wäre es viel 
richtiger, alle diese Fragen mit Beschlüssen abzutun, ganz ähnlich wie nach § 554 a 8PO. 
Prozeßlagen endlich können entstehen c) durch eine Tätigkeit oder ein Unter- 
lassen der Parteij so die Rechtslagen, welche durch Einlegung eines Rechtsmittels ent- 
stehen, wodurch die Streitsache auf eine ganz neue Stufe gerückt wird. Vor allem aber ent- 
stehen Rechtslagen durch die Kampfnatur des Prozesses, infolge deren die Nichttätigkeit einer 
Partei eine bestimmte Lage ihres Rechts herbeiführt, § 138: das Prinzip der Kongruenz oder 
des Zusammenstimmens. 
VI. Prozeßpflichten. 
§ 64. Mit dem Prozeßverhältnis entwickelt sich die Kostenerstattungspflicht, zunächst als 
eventuelle Pflicht der Partei für den Fall künftigen Unterliegens: bedingte Erstattungspflicht. 
Diese Ersatzpflicht 1 beruht nicht auf zivilistischer Grundlage: der Besiegte hat nicht 
deswegen die Kosten zu zahlen, weil er sich schuldhaft in einen Prozeß gestürzt hat: dies war 
allerdings die Betrachtungsweise des früheren römischen Rechts, die aber seit Zeno und 
Justinian dem Grundsatz gewichen ist, daß der Besiegte dem Sieger die Kosten zu ersetzen hat 2. 
Der Grundsatz ist vielmehr ein prozessualer: das Recht geht davon aus, daß der Sieger seine 
Kosten ersetzt bekommen muß, weil es ein Unrecht wäre, müßte er sein Recht erst durch Kosten 
und Opfer erkaufen. Der Besiegte aber muß die Kosten ersetzen, weil niemand anders da ist, 
von dem der Kläger sonst die Kosten ersetzt bekommen könnte. So ist der Besiegte das Opfer 
der zivilprozessualischen Notwendigkeit. 
Indes haben die Rechte mehrfache Ausnahmen bestimmen mühssen, so insbesondere in 
der Richtung, daß, wer unnötig klagt, kostenpflichtig wird, auch wenn die Klage begründet ist; 
denn auch wenn der Anspruch begründet ist, ist es ein Mißbrauch ohne weiteres zu klagen, 
namentlich dann, wenn der Kläger selber durch sein Verhalten dem Beklagten die Zahlungs- 
möglichkeit abgeschnitten hat; so insbesondere auch, wenn der Anspruch erst nachträglich auf 
den Kläger übergegangen und dieser Übergang dem Beklagten nicht bekanntgegeben worden 
ist (68 93, 94 8PO.). 
Außerdem gilt der Satz, daß der Sieger zur Strafe von Verzögerungen in alle oder 
einen Teil der Kosten verurteilt werden kann (§ 278 BPO.). 
Auf solche Weise kann der Beklagte, der unter dem obigen Prozeßgrundsatz zu leiden hat, 
durch einen anderen Prozeßgrundsatz befreit oder erleichtert werden. 
Unter Umständen werden einzelne Kosten ausgeschieden und einer besonderen Regelung 
unterworfen, so z. B. die Kosten einer einzelnen Versäumung oder die Kosten eines 
1 Vgl. „Prozeß als Rechtsverhältnis“ S. 80; Chioven da, Condanna nelle spese giudi- 
ziali (1901), und meine Besprechung in Z. f. 3#V. XXX, S. 234 . 
: Dem letzteren folgen die italienischen Statuten, z. B. Como 1278 a. 294 (Monum. 
bist. patr. XVI p. 109), Salô 1350 c. 128 (in Bettoni, Riviera di Salô IV), Vicen za 1425 
II, 33: debeat victum victori in expensis legitimis condemnare, non obstante eo ducd juratum 
fuerit de calumnia, Friaul II 42. Ahnlich auch schon Carpi (1353) Ed. Mutin. 1884 p. 28: 
etiam salaria procuratoris veniant et taxentur. Über Gerichtskosten vgl. auch den Friedens- 
vertrag v. 1201 zwischen Como und Bormio (Ion. h. p. XVI p. 386): der Berlierende 
zahlt ½20, der Gewinnende ½ des Streitwertes. 
* In Como verlangte man schon in den Statuten v. 1281 a. 297, daß bei zedierten An- 
sprüchen dem Schuldner vor der litis contestatio das exemplum instrumenti vorgelegt werde 
(Nonum. bist. patr. XVI p. 121). Über das moderne italienische Recht, welches in solchen Fällen 
dem Kläger die Kosten aufbürdet, vgl. Kassat.-Hof Turin 5. Juli 1886 Monit. dello leggi 1886 p. 21. 
 
	        
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