Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

334 J. Kohler. 
sondern nur so, daß die Anderung erst von der Erhebung des neuen Anspruchs datiert. Wenn 
also auf Grund einer am 1. April über den Anspruch A erhobenen Klage am 1. Mai der 
Anspruch B eingeschoben wird, welcher am 15. April verjährt war, so kann der Anspruch B nicht 
an dem Vorteil der am 1. April eingereichten Klage teilnehmen; er wurde erst am 1. Mai geltend 
gemacht, also nachdem die Verjährung bereits eingetreten war. 
2. Rechtsnachfolge. 
#§ 67. Die Rechtsnachfolge 1 im Prozeß konnte in der Rechtslehre so lange nicht ver- 
standen werden, als man den Prozeß nicht als Rechtsverhältnis begriff. Insbesondere konnte 
man zweierlei nicht auseinanderhalten: die Rechtsnachfolge in den materiellen Anspruch und 
die Rechtsnachfolge in das prozessuale Verhältnis. Möglicherweise kann der Anspruch aktiv 
und passiv auf einen anderen übergehen 2, die Prozeßrolle aber in den gleichen Händen bleiben, 
so daß dieselben Personen wie früher die Träger des prozessualen Verhältnisses sind, 
während andere Personen materiell-rechtlich berechtigt und verpflichtet werden. Dies führt 
dann allerdings zu der Erscheinung, daß der A. (der ursprüngliche Kläger) Kläger bleibt, während 
der Anspruch, den er als den seinigen geltend gemacht hat, auf den X. übergegangen ist. Und 
ebenso kann es sich auf beklagter Seite verhalten. Dies ist eben ein Fall der Prozeßstandschaft 
und einer ihrer Hauptfälle. Vgl. oben S. 292. 
Hier gilt nun folgender Grundsatz: Der Prozeß bleibt regelmäßig in den gleichen Händen, 
wenn auch das Recht übergeht; so, wenn der Anspruch des Klägers während des Prozesses ver- 
äußert, so, wenn der Streitgegenstand, um den der Anspruch spielt, während des Prozesses 
übertragen wird. Eine solche Behandlung der Sache ist notwendig: es wäre undurchführbar, 
wollte man den Grundsatz aufstellen, daß mit Übergang des Anspruchs auch von selber die 
Prozeßrolle überginge. Man denke sich nur den Fall, daß die Sache, um die es sich handelt, 
vom Eigentümer A. an den X., dann an w., Z. veräußert wird, ohne daß der Beklagte etwas 
davon weiß. Würde hier der A. den Prozeß weiterführen, während die Prozeßrolle auf 
den X. Y. Z. übergegangen wäre, so wäre sein Prozeß von nun an unwirksam, und der Beklagte 
hätte nach Schluß des Verfahrens die unliebsame Uberraschung, daß der ganze Prozeß die Sache 
nicht mehr berührte und neu begonnen werden müßte. Das wären unhaltbare Zustände. Darum 
hat der antike Prozeß zu dem heroischen Mittel gegriffen, zu bestimmen, daß während des 
Prozesses die Veräußerung des Anspruchs und die Veräußerung der Streitsache zivilrechtlich un- 
wirksam sei: so daß ein solcher Zwiespalt überhaupt nicht entstehen konnte 3. Dieses Mittel aber 
hatte seine schweren Schattenseiten; denn hiernach konnte jeder dadurch, daß er einem anderen 
den Prozeß macht, es bewirken, daß die Sache einstweilen unveräußerlich wurde. Unser Recht 
hilft in anderer Weise: die zivilistische Veräußerung ist gültig, aber sie bewirkt nicht eine Anderung 
im Prozeßverhältnis: die Prozeßrolle verbleibt der ursprünglichen Partei A.; diese führt den 
Prozeß, allerdings jetzt in Prozeßstandschaft für den neuen Erwerber, und das Urteil zwischen 
den ursprünglichen Prozeßparteien bindet diesen; wo tunlich, soll es auf dessen Namen gestellt 
werden, dies ist aber nicht unerläßlich (I#§ 265, 325 ZPO.). 
Eine andere Behandlung findet nur statt: 
1. wenn der Rechtsnachfolger eintreten will und der Gegner seine Zustimmung erklärt; 
2. wenn nicht der Anspruch oder die Streitsache veräußert wird, sondern eine Sache, deren 
Eigentum (oder Besitz) nach der aktiven oder passiven Seite die Voraussetzung des eingeklagten 
1 Gesammelte Beiträge S. 293 f. 
:* Ein passiver Übergang des Anspruchs findet nicht nur bei dinglichen Ansprüchen statt, 
sondern auch bei obligationes in rem scriptue, insbesondere auch im Fall von 816, 822 BGB., 
# 40 Z. 3 KO., § 11 Z. 3 Anfecht.-Ges. 
* Italienische Statuten wiederholen das Verbot und drohen Strafe an, z. B. Civita- 
vecchia (1451) II 24; oder sie verbieten wenigstens in einem bestimmten Stadium des Prozesses 
die Veräußerung, entweder überhaupt oder an einen Auswärtigen, z. B. Novara (1277) c. 63. 
*Eine solche Umstellung will Wach überhaupt vermeiden; aber es ist kein Grund vorhanden, 
sie zu unterlassen, da ja auch Wach annimmt, daß zivilrechtlich die Verhältnisse des zivilistischen 
Aechtsnachsalfer. maßgebend sind. Für Wach vgl. Meister, Veräußerungen im Streit befangener 
Sachen, S. 115 f.
	        
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