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für das Rechtsverhältnis bedeutungslos ist: es steht außerhalb des Rechtsverhältnisses, in dem
es allein Kraft und juristisches Leben erlangen könnte. Daher kann keine Frist während dieser
Zeit laufen; ja, auch eine bloße Fortsetzung der Frist nach Wiederanknüpfung des Verhältnisses ist
nicht möglich, da eine durch die Unterbrechung angeschnittene Frist nicht etwa ein festes Recht
oder eine unantastbare Rechtslage bildet; daher muß nach Wiederanknüpfung des Verhältnisses
die ganze Frist von neuem beginnen. Rechtshandlungen der Parteien und des Gerichts aber,
die in dieser toten Zeit erfolgen, z. B. auch ein Versäumnisurteil, sind, weil ohne Prozeß-
verhältmis erfolgt, notgedrungen nichtig, ebenso wie wenn sie bei einer Behörde ohne Gerichts-
barkeit vor sich gegangen wären.
Eine solche Unterbrechung tritt von selbst ein, sobald infolge eingetretener Defekte das
Prozesverhältnis auf ein totes Geleise kommt. Das ist hauptsächlich der Fall, wenn eine Partei
(die keinen Vertreter hat) stirbt oder prozeßunfähig wird 1. Wollte man hier den Prozeß mit
seinen Wechselschicksalen fortdauern lassen, so wäre dies ein Kampf gegen einen toten oder
geistig zerrütteten Menschen, der sich nicht verteidigen kann, etwas, was all unseren Begriffen
vom Recht widerspräche. Daher wird hier der Prozeß von selber abgeschnitten, und Gericht
und Gegner sind in der Unmöglichkeit, irgend etwas Ungünstiges gegen den zu unternehmen,
der nicht oder nicht mit vollen Kräften zu kämpfen vermag.
Andere Fälle sind: Tod und Unfähigkeit des Anwalts im Anwaltsprozeß, ferner der
Konkurs, sofern der Prozeß sich auf das Konkursvermögen bezieht; denn der Konkurs bewirkt
so tiefgreifende Anderungen, daß man einige Zeit gestatten muß, damit die Parteien und die
Organe des Konkurses sich den Verhältnissen anbequemen können 2. Ein anderer Fall ist der
eines Gerichtsstillstandes, wenn z. B. bei einer feindlichen Besitzuahme des Staatsgebietes die
Gerichtstätigkeit überhaupt aufhört (§§ 239 ff. ZPO.).
Alles dies hat natürlich einen nur einstweiligen Charakter: der Prozeß soll nicht überhaupt
aufhören: es soll vielmehr die Möglichkeit bestehen, daß er wieder in Gang kommt und seine
weitere Entwicklung nimmt. Dies hat in den meisten Fällen keine besondere Schwierigkeit 3.
Zum Beispiel im Falle der Prozeßunfähigkeit ergibt sich die Wiederanküpfung von selbst, so-
bald die Prozeßfähigkeit wieder eingetreten oder der Prozeßunsähige einen Vormund erhalten
hat, durch den die Tätigkeit des Prozesses vorgenommen werden kann; nur muß in einem solchen
Fall von der einen oder der anderen Seite eine Anzeige erfolgen, daß der Prozeß nunmehr
wieder vor sich gehen soll.
Schwierigkeiten bietet der Fall des Todes, weil hier zugleich ein Wechsel in der Person
eintritt: die Erben treten zwar von selbst in die Prozeßlage ein, und man sollte daher erwarten,
daß auch lediglich eine Anzeige von der einen oder anderen Seite nötig wäre, um den Prozeß
wieder in Gang zu setzen. Das ist der Fall, wenn die Erben sich hierzu verstehen (den Prozeß
aufnehmen); tun sie es nicht, bestreiten sie insbesondere, Erben geworden zu sein, so muß über
diesen besonderen Punkt verhandelt werden, und daher ist in diesem Falle eine mündliche Ver-
handlung über diese Frage und zugleich in der Hauptsache anzusetzen. Im Falle eines Nachlaß-
verwalters oder eines Testamentsvollstreckers tritt kaum ein Wechsel in der Person ein, denn sie
sind Vertreter des Nachlasses, und der Nachlaß als juristische Person setzt die Persönlichkeit des
Erblassers fort, weshalb hier die Behandlung dieselbe ist wie bei der Prozeßunfähigkeit (§8 2339,
241) 1. Anzeige und Aufnahme geschehen durch Zustellung eines Schriftsatzes.
1 Dies gilt auch in der Revisionsinstanz, wenn es an einem Anwalt dieser Instanz fehlt; daß ein
Anwalt zweiter Justanz vorhanden ist, kommt natürlich nicht in Betracht. Für diese selbstverständliche
Lappalie war eine Entscheidung der Vereinigten Zivilsenate des RG. nötig, 13. 5. 1909 Entsch. 71
S. 155. Recht eigenartige Verhältnisse entwickeln sich auch, wenn der Rechtsanwalt nach der
Revisionseinlegung und vor der Revisionsbegründung stirbt, RG. 16. ö. 1908 JW. XXXVII S. 463.
Derartige Dinge sollten instruktionell erledigt werden; geistreiche Erwägungen sind für wichtigere
Dinge zu versparen.
* Vgl. namentlich auch die Unterbrechung der Anfechtungsklage nach § 13 Anfechtungsgesetz.
* Früher nannte man ein solches Wiederingangsetzen reassumtio; hierbei wurden die früheren
Prozeßakte wiederholt. Vgl. Sperl, Sukzession in dem Prozeß S. ö8 f. Einc geschichtliche
Darstellung von Bartolus an werde ich anderweitig geben.
* Landesgesentlich tritt eine Unterbrechung ein durch Erhebung des Kompetenzkonflikts für
die Dauer des Kompetenzkonfliktverfahrens (I§&§ 15 Z. 1 EG. zur 3PO., wo diese Unterbrechung
sehr unzutreffend Einstellung genannt wird), Preuß. Ges. 1. August 1879, 5 7.