Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Zivilprozeß- und Konkursrecht. 337 
Der Unterbrechung steht die Aussetzung des Verfahrens in der Wirkung gleich, verschieden 
ist sie aber in der Veranlassung. Während nämlich die Unterbrechung mit dem Ereignis von 
selber eintritt, erfolgt die Aussetzung nur durch Beschluß des Gerichts: hier ist eine solche Hilfs- 
lage der Partei nicht von selbst gegeben, sondern man überläßt es ihr oder dem Gericht, zeit- 
weise eine Sperrung des Prozesses herbeizuführen. Die Fälle sind vornehmlich: Tod und 
Prozeßunfähigkeit in dem Fall, wenn die Partei einen Prozeßvertreter hat: da die Prozeß- 
vertretung in diesem Fall fortdauert, so ist der Partei oder ihren Erben hiermit ein natür- 
licher Helfer gegeben; es wird sich nur darum handeln, ob dieser allein in der Lage zu sein 
glaubt, die Last zu tragen, oder ob er eine Aussetzung will, um mit dem Nachfolger weiter zu 
beraten. Die Aussetzung findet daher nur statt durch gerichtlichen Beschluß auf Antrag dieses 
Vertreters, welchen Antrag er natürlich stellen kann, auch wenn er einstweilen eine Fortführung 
des Prozesses versucht hat 1. Nur kann im Fall des Todes auch der Gegner die Aussetzung 
begehren, da er vielleicht ein Interesse hat, den Prozeß mit den Erben selbst weiterzuführen; 
dagegen weder der Intewenient des einen noch der des anderen, da es sich hier um eine prin- 
zipielle Parteifrage handelt, in welche der Intervenient nicht hineinreden darf?. Nach erfolgter 
Aufnahme ist mit Vollmacht der Erben der Prozeß weiterzuführen; die alte Vollmacht ist jetzt 
erloschen 3. Ein anderer Fall liegt vor, wenn eine Partei durch überwältigende Umstände am 
Erscheinen verhindert ist, durch Militärdienst oder Ortssperre und ähnliches; hier kann die Aus- 
setzung auch von Amts wegen erfolgen (§§ 246, 247 ZPO.). Weitere Fälle der Aussetzung 
treten bei der vorgreifenden (präjudiziellen) Beziehung mehrerer Prozesse ein (§§ 148, 1409, 
151—155 BPO.); hierzu kommt die Versöhnungsaussetzung im Eheprozeß, welche ihren be- 
sonderen Charakter trägt (Is 620, 621 8PO.)“, Vsgl. S. 364. 
Von Unterbrechung und Aussetzung ist verschieden das Ruhen des Prozesses, welches 
stattfindet, weil beide Teile den Termir umgehen, oder weil bei Ausbleiben der einen Partei 
die andere keinen Säumnisantrag stellt (§ 251 3ZPO.). Das Ruhen hat keine Bedeutung für 
das Prozeßverhältnis, das in voller Kraft fortbesteht, abgesehen von der Besonderheit des § 211 
BeB-.: eine durch den Prozeß unterbrochene Verjährung beginnt während des Ruhens wieder 
zu laufen, vorbehaltlich der weiteren Unterbrechung im Fall der Wiederfortsetzung des Prozesses. 
Das Ruhen hört auf, wenn ein Teil den anderen zur Fortsetzung des Verfahrens lädt. 
X. Lösung. 
§ 69. Das Prozeßverhältnis strebt wie jedes andere seinem natürlichen Ziele, der 
rechtsträftigen Entscheidung, zu. Unter Umständen kann durch Eingreifen eines Rechts- 
geschäftes eine außergewöhnliche Lösung stattfinden, unmittelbar oder mittelbar; mittelbar, 
indem zwar immer noch ein Urteil erfolgen muß, oder unmittelbar, indem eine andere Lösung 
an Stelle des Urteils tritt. 
Eine unmittelbare Lösung erfolgt durch Prozeßvergleich; dieser unterscheidet sich von 
dem Vergleich im bürgerlichen Rechte dadurch, daß er durchaus nicht ein gegenseitiges Nach- 
geben voraussetzt. Prozeßvergleich ist vielmehr eine jede vertragsmäßige Erledigung des 
Prozesses, indem die Parteien an Stelle des streitigen Zustandes einen unstreitigen, durch 
Vertrag bestimmten setzen 5. Dieses Rechtsgeschäft muß vor dem Richter und unter Aussicht 
des Richters erfolgen?; es soll in das Protokoll ausgenommen werden (S§ 160, 794 3PO.). 
Ist es erfolgt, so ist der Prozeß erledigt, vorausgesetzt, daß der Vergleich gültig ist. Ist er 
nichtig, so besteht der Prozeß weiter; ist er anfechtbar, so können ebenfalls die Betätigungen 
  
RG. 9. Mai 1900, Bd. 46 S. 379. Ist während des Laufs der Rechtsmittelfrist der Aus- 
setzungsantrag bei dem judex a quo oder dem judex ad quem zu stillen? Natürlich bei dem juder 
a duo, Gesammelte Beiträge S. 356. Über diese Lappalie mußten die Vereinigten Zivilsenate 
des RG. entscheiden, 9. 4. 1908 Entsch. 68 S. 247. 
: RG. 17. 11. 1910 JW. 40 S. 99. 
* RG. 7. November 1901 Entsch. 50 S. 339. 
* R. 2. 11. 1911 JW. 41 S. 40. 
* Vgl. Zeitschrift f. Zivilprozeß XXIX, S. 42f. 
" Es unterliegt dem Anwaltszwang, Kammergericht 28. März 1900 Mugdan 1 S. 1. 
Cncyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band III. 22
	        
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