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des Prozesses weitergehen, indem die Anfechtung des Vergleichs durch Fortsetzung des Prozesses
erfolgt. Wird der Vergleich durch Gegenvertrag aufgehoben, so geht der Prozeß ebenfalls
weiter. Darüber ist später weiter zu handeln (S. 392).
Eine mittelbare Erledigung bewirken die einseitigen Rechtsgeschäfte: Verzicht und An-
erkenntnis; beide geschehen durch Erklärung in der mündlichen Verhandlung und sollen in das
Sitzungsprotokoll aufgenommen werden (88 160, 306, 307 3PO.). Die Folge ist zunächst
eine zivilistische, also die Folge des zivilistischen Verzichts und der zivilistischen Anerkenntnis,
und das Besondere ist nur, daß beides durch einseitige Erklärung geschieht, während das Zivil-
recht für die Anerkenntnis des Anspruchs stets, für den Verzicht in gewissen Fällen zweiseitige
Erklärung, Vertrag verlangt. Diese zivilistische Folge bewirkt aber eine neue Grundlage für
die Entscheidung 1. Man spricht darum von einem deklaratorischen Urteil.
XI. Nichtigkeit und Anfechtbarkeit.
§ 70. Da der Prozeß ein Rechtsverhältnis ist und seine Voraussetzungen hat, so ist auch
eine Nichtigkeit möglich in dem Fall, wenn seine Hauptvoraussetzungen nicht gegeben sind,
also insbesondere, wenn es an der Gerichtsbarkeit oder wenn es an der Person der Parteien
fehlt. Hat eine Behörde nicht Gerichtsbarkeit, so hat das, was sie tut, überhaupt nicht den
Charakter eines richterlichen Tuns, es ist nichtig; nichtig ist auch, was während der Unterbrechung
geschieht, denn hier sind wir im Stadium des Nichtprozesses und des Nichtgerichts 7.
Hat dagegen das Gericht Gerichtsbarkeit, so ist die Gerichtshandlung nicht nichtig, auch
wenn an der Besetzung des Gerichts etwas fehlt. Eine falsche Besetzung liegt nicht dann vor,
wenn eine andere als die bestimmungsgemäße Kammer als fungierendes Gericht tätig ist, sonderm
nur dann, wenn das fungierende Gericht nicht mit so vielen Personen handelt, als nach der
Gerichtsverfassung handeln sollten, oder wenn:
1. eines oder mehrere der handelnden Mitglieder nicht Richtereigenschaft (auch nicht
Hilfsrichtereigenschaft) hat?;
2. wenn ein Richter als Prozeßrichter fungierte, dem nur das Respiziat des Grundbuchs-
oder des Handelsregisters überlassen ist;
3. wenn von den Richtem der eine oder andere von der Ausübung des Richteramts aus-
geschlossen ist";
4. wenn der eine oder der andere, wenn auch nur wegen Befangenheit, abgelehnt und
diese Ablehnung für begründet erklärt wird.
In diesen Fällen ist der Prozeß nicht nichtig, wie im vorigen Fall; aber er ist anfechtbar,
allerdings nicht unbedingt, 5 579 ZPO.
Ist die im Prozeß auftretende Person gar nicht vorhanden, wird also im Namen einer
nichtvorhandenen Person prozessiert, dann ist die Entscheidung aus zwei Gründen nichtig:
einmal, weil es am Prozeß als Rechtsverhältnis fehlt, und sodann, weil die Entscheidung selber
auf etwas Unmögliches geht; denn was nicht existiert, kann weder Rechte noch Pflichten haben 5.
Ein anderes liegt vor, wenn die Person wirklich vorhanden ist, aber die prozessualen Handlungen
nicht durch sie und an ihr, sondern durch eine andere, etwa gleichnamige Person vollzogen wird;
1 Damit ist die Frage nicht erledigt, ob eine solche zivilistische Erklärung, wenn sie in prozessualer
Weise geschieht, nicht unter den Regeln prozessualischer Erklärung steht, so daß sie z. B. ihre Wirkung
verliert, wenn der Prozeß zurückgenommen wird; dies ist zu bejahen, ganz ebenso wie bei der
prozessualischen Aufrechnung; vgl. Degenkolb, Anerkenntnißurtheil S. 45 f.
à Unrichtig Kammergericht 9. 3. 1911 Mugdan XXIII S. 143.
* Hierbei wird vorausgesetzt, daß ein solches Kollegium von der Gerichtsbehörde als Gerichts-
einheit anerkannt wird. Wollten etwa an einem Landgericht drei Anwälte eine eigene Zivil-
kammer bilden, so läge nicht ein unrichtig besetztes Gericht, sondern ein Nichtgericht vor. Das
gleiche würde gelten, wenn etwa ein beauftragter Richter oder gar der Gerichtsschreiber als
Gerichtskammer das Urteil geben würde. Vgl. S. 341.
* Dagegen hat die Ausschließung des Gerichtsschreibers diese Bedeutung nicht, OLG. Dresden
22. 12. 1909 Mugdan XXIII S. 159.
* Dies gilt nicht, wenn das Urteil auf den Namen des Verstorbenen gesprochen wird; denn
ies ist ein Urteil für oder gegen die Erben.