Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Zivilprozeß- und Konkursrecht. 339 
zum Beispiel der A. klagt, als ob er der B. wäre, die Klage des A. wird dem K. zugestellt, 
als ob er der D. wäre 1. Die Prozeßentwicklung bezieht sich hier nicht auf scheinbare Personen, 
sondern auf Wirklichkeiten, und der Fehler besteht nur darin, daß nicht diese, sondern andere 
Personen handeln. Es ist mithin ebenso wie etwa im Zivilrecht mit einem error in persona. Ein 
solcher Widerspruch kommt allerdings in Betracht, aber nicht etwa so, als ob ein rechtliches Nichts 
vorhanden wäre, vielmehr gelten die Grundsätze der prozessualen Anfechtbarkeit. Und das- 
selbe gilt dann, wenn zwar die richtige Partei aktiv oder passiv im Prozeß auftritt, diese aber 
nicht prozeßfähig ist 2. 
Eine andere Voraussetzung liegt in der Art der Prozeßsache. Was nicht dem Privatrecht 
angehört, soll auch nicht Gegenstand des Zivilprozesses werden, und man könnte hiernach an- 
nehmen, daß in solchem Falle das Verfahren unwirksam, sogar nichtig sei (weil die Gerichts- 
barkeit sich nicht auf derartige Dinge erstrecke); dies wäre unzutreffend: die Art der Rechtssache 
ist keine Beschränkung der Gerichtsbarkeit, mindestens nicht bei den ordentlichen Gerichten; 
sie ist es wenigstens nicht bei solchen Rechtssachen, die auf der Grenze zwischen dem öffentlichen 
und dem Privatrechte stehen, wo eine Grenzüberschreitung innerhalb der vernunftgemäsßen 
Schranken möglich ist. Würde allerdings ein Amtsrichter dem Reichskanzler eine diplomatische 
Aktion bei Strafvermeiden gebielen oder darüber entscheiden, daß A. und nicht B. in bezug 
auf den Thron erbfolgeberechtigt sei, dann wäre die Entscheidung nichtig, auch wenn man sie 
hätte rechtskräftig werden lassen. In Grenzfällen aber folgt die Gerichtsbarkeit dem Gerichte 
auch über die sachliche Grenze hinaus, und was rechtskräftig entschieden ist, ist gültig entschieden; 
doch kann vorher der Kompetenzkonflikt angeregt werden, sobald für diese Fragen ein Kom- 
petenzgericht besteht, was landesgesetzlich zu bestimmen ist (z. B. Preuß. VO. vom 1. August 
1879 und Preuß. Verfassung a. 96). Ist der K. Konflikt erhoben, so ist, falls das Konflikts- 
gericht die Sache dem bürgerlichen Gericht entzieht, die Gerichtsbarkeit des bürgerlichen 
Gerichts in diesem Punkte aufgehoben, und was es tut, wäre nichtig (auch wenn es das Reichs- 
gericht wärc). Mit anderen Worten: auf Grenzgebieten tritt durch die Entscheidung des 
Kompetenzkonfliktsgerichts (mit Rückwirkung auf die Zeit der Erhebung des Konflikts) die 
Gerichtsunfähigkeit ein, die sonst von selbst einträte. Hat das bürgerliche Gericht die Sache 
als seiner Gerichtsbarkeit entzogen erklärt, das Konfliktsgericht aber das Gegenteil ent- 
schieden, so erlangt das bürgerliche Gericht hierdurch Gerichtsbarkeit und hat den Rechtsfall 
zu entscheiden, auch wenn es das Reichsgericht ist 3 (§ 17 GW.). 
Eine weitere Voraussetzi ug beruht darauf, daß eine Prozeßsache nicht zweimal vor 
Gericht gebracht werden soll; dies soll der Richter vermeiden; ist cs aber doch geschehen, so ist 
der zweite Prozeß vollgültig. Daß eine Restitutionsklage möglich ist (S. 348), gehört nicht 
hierher. 
Ein besonderes Mittel, um eine Ausspruch dahin zu erlangen, daß ein Richterspruch 
nicht aus Gerichtsbarkeit hervorgeht, gibt es nicht. Es bleibt nur eine Feststellungsklage 
übrio und ferner die Möglichkeit, daß der Beklagte einer Vollstreckung gegenüber mit der 
sogenannten Vollstreckungsgegenklage geltend macht, daß in der Tat kein richterliches Urteil und 
mithin auch kein vollstreckbarer Titel vorliegt (S. 367). 
§ 71. Anders in den obigen Fällen der Anfechtbarkeit: bei der nicht richtigen Be- 
setzung des Gerichts und bei den angeführten Mängeln in der Person der Parteien. 
Die Anfechtung erfolgt durch Klage, welche die Z3PO. Nichtigkeitsklage neunt (§§ 578 ff. 
3O.), welche aber, dem Sprachgebrauch des BG. entsprechend, wissenschaftlich als Au- 
1 Vgl. über diese Fälle auch Dernburg-Kohler VI S. 555, 668. 
: Ist eine Partei durch Zwang beeinflußt, so kann sie nicht als eine im Prozeß gültig ver- 
tretene gelten, § 579 Z. 4 ZPO. Vgl. Dernburg-Kohler VI S. 558. 
* Vollkommen unrichtig R. 10. Juni 1899, Bd. 44 S. 378 f. Es handelt sich hier vor 
allem darum, daß dem Reichsgericht allenfalls eine Gerichtsbarkeit zugeteilt wird; darüber kann 
es sich doch nicht beklagen! Auch handelt es sich um einen Konflikt zwischen der Zivil= und der 
Verwaltungsjustiz. Hier kann sich kein Gericht beschweren, wenn der Konflikt durch eine dazu 
bestimmte Behörde gehoben wird, sollte das Zivilgericht auch ein Gericht des Reichs, die konflikt- 
lösende Behörde eine Behörde eines Bundesstaates sein. Denn das Reich kann sich in dieser 
Beziehung nicht höher dünken als der Einzelstaat: beide sind Träger derselben Kulturinteressen. 
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