346 J. Kohler.
Die Entscheidung ist eine Folge des zwischen den Parteien obschwebenden Streites; sie
beendet das zwischen den beiden Teilen bestehende prozessuale Rechtsverhältnis; ihre Wirkung
ist darum auf die zwei streitenden Teile beschränkt: man drückt dies mit dem Satz aus, daß
die Entscheidung ius facit inter partes. Der Grundsatz ergibt sich von selbst daraus,
daß das Urteil von dem Rechtsverhältnis des Prozesses abhängig ist und aus diesem hervor-
geht: dieses Rechtsverhältnis aber ist ein Rechtsverhältnis unter den Parteien; er ergibt sich
ferner aus der praktischen Erwägung, daß es ungerecht wäre, unter der Prozeßführung
zweier Teile Dritte leiden zu lassen.
Damit steht nicht im Widerspruch, daß, wenn jemand für alle Schulden einer Person
haftet, er natürlich auch für die Judikatsschulden dieser Person haftet und mithin die Verurteilung
dieser Person auf ihn zurückwirkt; dies gilt besonders, was die Haftung des offenen Gesell-
schafters für die Schulden der Gesellschaft betrifft, § 129 H#GB. 1.
Damit steht ferner folgendes nicht im Widerspruch: Bewirkt das Urteil einen Rechts-
übergang, dann tritt eine bürgerlich-rechtliche Folge ein, welche dritte Personen ebenso an-
erkennen müssen, als wenn dieser Ubergang auf einem Uübertragungsgeschäft unter den Parteien
beruhte; wenn die Rechtsordnung den A. dem B. gegenüber als Eigentümer erklärt, erklärt
sie von selbst, daß Dritten gegenüber mindestens die Rechtsfolgen eintreten müssen, wie wenn
A. durch Rechtsgeschäft das Eigentum von B. erworben hätte; in gleicher Weise muß,
wenn zwischen A. und B. das Forderungsrecht gegen C. im Streite liegt und das Gericht dem
A. die Forderung zuerkennt, dem Schuldner gegenüber mindestens die Wirkung eintreten,
wie wenn durch Rechtsgeschäft das Forderungsrecht von B. auf A. übergegangen wäre.
Allerdings kann der Schuldner immer noch behaupten, daß weder A. noch B. forderungs-
berechtigt sei: insoweit wird er durch den Streit nicht betroffen; sofern er aber gegenüber dem
B. das Forderungsrecht anerkennt, ist er nun dem A. gegenüber verpflichtet: denn wenn
auch B. der berechtigte Gläubiger war, so hat nun das Urteil das Gläubigerrecht auf A.
übertragen.
Ebenso ist es im Erbrecht, wenn A. den Erbschaftsanspruch gegen B. erhebt, und wenn B.
der wirkiiche Erbe ist und trotzdem unterliegt. Die Folge ist die, daß die Erbschaft von B. auf
den A. übergeht, und es treten die gleichen Wirkungen ein wie bei der Erbschaftslübertragung:
B. haftet den Gläubigern nach den Grundsätzen weiter, welche vom Erbschaftskaufe gelten,
aber auch nur nach diesen Grundsätzen 3.
Das obige wird schwieriger in dem Fall, wenn zwischen Testaments= und gesetzlichem
Erben oder zwischen Erben aus zwei verschiedenen Testamenten der Prozeß obschwebt, weil
hier die Vermächtnisschulden verschieden sind, der gesetzliche Erbe gar keine, der Erbe aus einem
anderen Testament ganz andere Vermächtnisse zu tragen hat. Indes wird der Widerspruch
folgendermaßen ausgeglichen: der Testamentserbe B. haftet, sofern er das Inventarrecht nicht
verloren hat, für die Vermächtnisse nur mit dem Erbschaftsvermögen; wird er daher von dem
gesetzlichen Erben A. im Prozesse überwunden und gibt er ihm die Erbschaft heraus, so muß
er dem Vermächtnisnehmer gegenüber in der gleichen Lage sein wie nach § 1992 BGB. und
kann diesen an den gesetzlichen Erben verweisen. Der Vermächtnisnehmer kann dem gesetz-
lichen Erben A. gegenüber beweisen, daß B. der richtige Erbe ist, daß das Testament besteht,
und daß ihm daher die Vermächtnisse ausgezahlt werden müssen; er kann es ebenso, wie wenn
A. von B. die Erbschaft durch Erbkauf erworben hätte: von diesem Beweis ist er nicht ab-
geschnitten; immerhin ist seine Lage duich den Erfolg des Rechtsstreites verschlimmert, weshalb er
im Rechtsstreit zwischen A. und B. als streitgenössischer Intervenient eintreten kann (oben S. 294).
Ist keine der Parteien, weder A. noch B., Eigentümer, und wird im Prozeß zwischen
ihnen dem Kläger A. das Eigentum zugesprochen, dann kann allerdings das Urteil den Kläger
1 Vgl. auch R. 13. Aprilk!901 Bd. 49 S. 341 und die dortigen Zitate.
* So z. B. wenn jemand von B. gemietet hätte und die Miete dem A. gegenüber durch-
führen möchte. Vgl. auch hierüber und zum folgenden Wach, Zur Lehre von der Rechtskraft
(1899), und Mendelssohn-Bartholdy, Grenzen der Rechtskraft (1900), wo auch
dogmengeschichtliches Material; vgl. auch denselben in der Rhein. Zeitschrift V S. 412. Oben S. 344.
* Wollte man ihn hastlos erklären, so bedürfte es nur der siegreichen Erbschaftsklage eines
zahlungsunfähigen Menschen, um den Erben von seiner Haftung zu befreien.