Zivilprozeß- und Konkursrecht. 367
falls sehr selten Erfolg haben wird; ist es ein nicht strenges, dann ist die Vollstreckbarkeit eine
Strafe für den Säumigen und soll erzieherisch wirken (S. 361). Das gleiche gilt auch bei dem ersten
Säumnisurteil in der Revisionsinstanz. Auch die Urteile im Urkundenprozeß
sind vorläufig vollstreckbar, da hier gewisse besondere Garantien für die Richtigkeit gegeben sind
und auch eine Anderung im Nachverfahren nur selten vorkommt. Ahulich die kontradiktorischen
Oberlandesgerichtsurteile in Vermögenssachen. Endlich die Urteile, welche Arreste
oder einstweilige Verfügungen aupheben: sie müssen vorläufig vollstreckbar sein,
weil aus ihnen hervorgeht, daß die Frage der Berechtigung des Arrestlegers doch eine recht
zweifelhafte ist.
Außerdem gibt es Urteile, die auf Antrag für vorläufig vollstreckbar
zu erklären sind. Es sind dies Urteile in Sachen, die besondere Beschleunigung erheischen,
außerdem aber vor allem in Sachen von nicht über 300 Mark (5 709 ZPO., 5 57
GewG#G.) 1. Die Bestimmung ist auch hier wesentlich erzieherisch: es soll dadurch der erst-
gerichtlichen Entscheidung größere Tragweite beigelegt und den Parteien die Notwendigkeit
auferlegt werden, schon in diesem Verfahren mit allem Ermst an der Rechtsforschung mit zu helfen.
Außerdem kann ein Urteil in dringenden Fällen für vorläufig vollstreckbar erklärt werden,
wenn sonst dem Gläubiger ein schwerer (schwer ersetzlicher oder schwer beweislicher) Nachteil
entstünde. Und endlich kann der Gläubiger die Vollstreckbarkeitserklärung herbeiführen durch
Anbicten der Sicherheitsleistung: dann wird die Gefahr des Irrtums vermindert;
denn der Schuldner bekommt seinen Ersatz zugesichert. Vgl. außerdem ss 708 Z. 6, 711,
534 Z PO.
Es gibt aber auch gewisse Fälle, wo umgekehrt der Schuldner begehren kann, daß das
Urteil nicht vollstreckbar werden solle; insbesondere kann er verlangen, zur Sicherheits-
leistung zugelassen zu werden, um durch die Sicherheitsleistung die Vollstreckung abzuwenden;
dies bringt den Vorteil, daß, auch wenn er keine Sicherheit leistet, die Vollstreckung doch nur
bis zur Hinterlegung des Geldes, nicht bis zur Auszahlung schreiten darf: denn die Hinterlegung
gilt hier als Sicherung. Doch kann diese Sicherheit stets durch den Gläubiger überboten werden,
wenn er sich anheischig macht, seinerseits Sicherheit zu leisten, (56 710 ff., 720, 839 ZPO.).
Aber auch andere richterliche Entscheidungen können vollstreckbare Titel schaffen; so sind
vollstreckbar die ein Gebot enthaltenden Beschlüsse des Zivilprozesses (§ 794 Z. 3 Z PO.), so
gewisse Beschlüsse des Vollstreckungsgerichts im Verfahren der Zwangsversteigerung (§8 93, 132
ZVG.), so die Forderungsfeststellungen im Konkurs, wenn der Gantschuldner nicht wider-
sprochen hat: sie bilden gegen den Gantschuldner, der etwa später wieder zu Vermögen
kommt, einen Vollstreckungstitel (§& 164 KpO.).
Die vollstreckbare Entscheidung kann ihre Kraft verlieren, wenn sie in einem späteren
Stadium des Prozesses aufgehoben wird, zum Beispiel auf Grund der Berufung oder auch nur
auf Grund der Wiederaufnahme des Verfahrens (5 717 8 PO.)2. Außerdem aber kann sie durch
eine Vollstreckungsgegenklage s zu Fall gebracht werden. Die Vollstreckungsgegenklage ist
eine Reaktion des vom Vollstreckungstitel Betroffenen, worin er zur Geltung bringt, daß dem
Titel kein materieller Anspruch innewohne, er mithin ohne Wirksamkeit bleiben müsse. Wie der
Vollstreckungstitel eine positive, so ist sie eine negative Steigerung des Persönlichkeitsrechts.
Zwar kann eine Entscheidung eines ordentlichen Gerichts regelrecht nicht in der Art einer
Gegenklage unterworfen werden, daß ihre Unrichtigkeit behauptet wird; wohl aber ist in allen
Fällen eine Vollstreckungsgegenklage dahin denkbar, daß der in der Entscheidung bezeichnete
Anspruch nachträglich erloschen sei, z. B. durch Zahlung, Erlaß, Vergleich usw. 1. Auch in diesem
Falle besteht ein Recht darauf, daß ein Vollstreckungstitel nicht zur Ausführung gelangt. Und
1 Vgl. auch bezüglich der Innungsschiedsgerichte § 91b GewO. (wo 100 Mk. die Norm bilden).
4% Über Entschädigungspflicht vgl. oben S. 366; Besonderes gilt aber bei Oberlandesgerichts-
urteilen.
Diese jetzt ganz allgemeine Benennung habe ich seinerzeit in die Wissenschaft eingeführt,
zuerst in meinen Kollegien, sodann in meiner Abhandlung in der Festgabe für Planck (und im
Archiv f. ziv. Praxis Bd. 72). **5
* Auch durch Aufrechnung, jedenfalls, wenn die Aufrechnung erst später möglich war, RM.
20. 11. 1903 Entsch. GCt S. 228. Auch durch nachträglichen Zwangsvergleich, OLG. Hamburg 3.2.
1885, Seuffert Archiv 40 Nr. 268.