368 J. Kohler.
dasselbe muß auch dann gelten, wenn der Vollstreckungstitel zu Recht besteht, aber der Schuldner
das Recht hat, die Zahlung zu verweigern und daher zu verlangen, daß der Titel nicht in Kraft
gesetzt wird; zum Beispiel: es ist ausgemacht worden, einen Titel erst nach soundso viel Zeit
zur Vollstreckung zu bringen: hier flüchtet sich die Einrede in die Form der Vollstreckungs-
gegenklage 1. Endlich kann auch noch die Legitimation zum Vollstreckungstitel bestritten werden,
indem man behauptet, daß das Recht aus dem Titel auf einen anderen übergegangen sei
(95 7697 ff..
In allen diesen Fällen, wo der Umsturz des vollstreckbaren Titels durch gerichtliches
Verfahren angestrebt wird — also im Falle eines Rechtsmittels wie im Falle der Vollstreckungs-
gegenklage —, können einstweilige sichernde Anordnungen ergehen; insbesondere kann die einst-
weilige Einstellung der Vollstreckung beschlossen werden oder sogar ihre Aufhebung, aber nur
gegen Sicherheitsleistung; oder es kann bestimmt werden, daß der Fortgang der Vollstreckung
nur gegen Sicherheitsleistung stattfinden dürfe (Ss 707, 719, 769, 775 ZP.).
Der UÜbergang vom Vollstreckungstitel zur Vollstreckung erfolgt durch die sogenannte voll-
streckbare Ausfertigung: durch eine Ausfertigung des Titels mit der Vollstreckungsklausel,
d. h. der Klausel, welche bestimmt, daß diese Ausfertigung der Vollstreckung zugrunde gelegt
werden kann. Der Sinn dieses Verfahrens ist folgender: es soll dafür gesorgt werden, daß die
Vollstreckung aus dem Titel nicht verdoppelt und verdreifacht wird; das wäre aber möglich, wenn
aus jeder Ausfertigung vollstreckt werden könnte: darum darf nur auf Grund derjenigen Aus-
fertigung zur Vollstreckung geschritten werden, welche mit der Klausel versehen ist, und eine
zweite Ausfertigung mit Klausel darf nur ausnahmsweise unter Umständen erteilt werden,
welche gegen den Mißbrauch sicherm. Dieses System hat sich in Frankreich entwickelt, wo die
Vollstreckungsklausel sich als eine unmittelbare Außerung des Staatsoberhauptes darstellt und
recht dramatisch klingt, während sie bei uns lediglich geschäftsmäßig ist (S§ 725, 733 ZPO.)2.
Es ist unentbehrlich. Die Vollstreckungsklausel bei Urteilen und Beschlüssen erteilt der Ge-
richtsschreiber (Ss 724, 794, 795 Z PO.).
Geht der Anspruch aktiv oder passiv über, so kann auch der Vollstreckungstitel aktiv und
passiv übertragen werden, nur bedarf es einer Feststellung dieses Übergangs; sie geschieht
durch die funktionelle Vollstreckungsklausel, durch einen Vermerk, welcher bestimmt, daß das
Urteil für oder gegen den Rechtsnachfolger wirkt: diese vollstreckbare Klausel ist funktionell, denn
sie ändert den Vollstreckungstitel, sie erfolgt aber in derselben Form wie die gewöhnliche
Klausel, nur bedarf der Gerichtsschreiber der Anordnung des Vorsitzenden (§# 727 ff. Z PO.).
So auch passiv, wenn das Vermögen und damit die Passivschuld auf einen anderen über-
gegangen ( 727, 729, 738, 742, 744, 745, 749), und bei dinglichen Ansprüchen, wenn die
Sache nach der Rechtshängigkeit in den Besitz eines anderen gelangt ist (§§8 325, 727 ZPO.)3.
Ein anderer Fall der funktionellen Vollstreckungsklausel ist, wenn das Urteil bedingt lautet:
hier wird durch die Vollstreckungsklausel konstatiert, daß die Bedingung eingetreten ist (§ 726
3PO.).
Der Gerichtsschreiber soll die funktionelle Klausel nur dann erteilen, wenn der Eintritt der
Bedingung oder der aktive oder passive Rechtsübergang durch öffentliche oder öffentlich be-
glaubigte Urkunden (Urkunden mit Unterschriftsbeglaubigung) dargetan wird, wozu auch gehört,
wenn der Gegner diese Umstände vor Gericht anerkennt; andermfalls ist eine Feststellungsklage
zur Bestätigung dieses Umstandes erforderlich, was die Z8PO. Klage auf Erteilung der Voll-
streckungsklausel nennt (§§ 726, 731 8PO., Vollstreckun gsfeststellungsklage).
Der Vollstreckungstitel hat zur Vollstreckung noch folgende Beziehungen: 1. Der Voll-
streckungsbeamte muß, um zu vollstrecken, in den Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung gesetzt
1 So auch im Fall der „Simulation“ im Prozeß: von einer wahren Simulation ist, da das
Gericht an der Simulation nicht teilnehmen kann, keine Rede; wohl aber ist die Vollstreckungs-
gegenklage statthaft. Unrichtiges mit Richtigem enthält RG. 30. 11. 1895 Entsch. 36 S. 249; vgl.
auch die hier erwähnten Entscheidungen. Vgl. S. 307.
: Vgl. schon die Ordonn. von 1667 XXVII a. 6. (Ein sog. Parcatis mit dem großen Siegel.)
Ein wenig mehr „Phantasie im Recht“ wäre auch bei uns wünschenswert.
* Die Annahme, daß vorläufig vollstreckbare Urteile nicht übertragen werden können, O.
Jena 2. 12. 1897 Zeitschr. für Zivilprozeß XXVII S. 345, hat keinen Halt.