Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Zivilprozeß- und Konkursrecht. 375 
der erste Hypothekar die Sache verwerten konnte, steht nach deutschem Recht einem jeden 
Gläubiger, also nicht nur einem nachträglichen Hypothekar, sondern auch einem nichthypothe- 
karischen Gläubiger, die Befugnis zu, die Sache zur Zwangsvollstreckung zu bringen. Allein 
dies kann nur geschehen unter Vorbehalt des Rechts der Vorgänger, woraus sich von selbst ergibt: 
der betreibende Gläubiger kann das Grundstück nur in der Art zur Verwertung bringen, daß 
alle ihm vorgehenden Rechte auf dem Grundstück bleiben und auf den Ersteher mit übergehen. 
Daraus ergibt sich von selbst das eine wie das andere Prinzip: die vorgehenden Hypotheken 
gehen unberührt über, und nur wenn das Grundstück so übernommen wird, kann die Versteigerung 
vor sich gehen 1; wozu allerdings auch noch die Tilgung gewisser privilegierter Barbeträge hinzu- 
kommen muß, vor allem die Zahlung der landwirtschaftlichen Arbeiter, die Grundsteuer und 
die zweijährigen Hypothekenzinsen der vorgehenden Gläubiger. (Geringstes Gebot.) Früher 
hat man gegen diese Prinzipien viel gefehlt; dadurch wurde die vorgehende Hypothek sehr 
geschädigt, namentlich wenn zu einem ungünstigen Zeitpunkt versteigert wurde, und völlig 
sinnlos war es, daß man auch die vorgehende Hypothek zur Barzahlung trieb, während diese 
doch ruhig ihr Geld sitzen lassen wollte. 
Heutzutage hat man sich ziemlich allgemein zu obigem System bekehrt, welches auch die 
deutsche BVG. s 44—52 aufgestellt hat. Dazu kommt noch das gleiche System wie bei der 
Privatveräußerung: der Erwerber übernimmt nicht nur die Hypothek, sondern auch die per- 
sönliche Schuld, und der bisherige Schuldner wird befreit, wenn nicht der Gläubiger auf schrift- 
liche Benachrichtigung innerhalb sechs Monaten den Ersteher als neuen Schuldner ablehnt 
(5 416 BGB., 5 53 ZV.). 
Die Folge ist daher, daß es zur Barzahlung nur kommt 1. in bezug auf die bezeichneten 
privilegierten Beträge, 2. in bezug auf das, was nach Ubernahme der vorhergehenden Hypothek 
weiter bezahlt wird, also was zur Befriedigung des betreibenden Gläubigers und derjenigen, 
welche hinter ihm stehen, dienen soll. Man spricht daher von privilegiertem und gewöhnlichem 
Barerlös (§ 49 BVG.). Bei der Versteigerung wird nur die Barsumme geboten und hiernach 
hinaufgesteigert; die Ubermahme der im geringsten Gebot enthaltenen Hypotheken versteht sich 
von selbst: „ihre Summe wird nicht eingesteigert"“. 
Formalistische Schwierigkeiten ergeben sich, wenn dem Eigentümer des Grundstückes 
Eigentümergrundschulden zustehen und dritte Gläubiger auf sie greifen wollen; die Schwierig- 
keiten könnten durch eine kluge Regelung der Eigentümergrundschuld leicht überwunden werden. 
Ernstliche Schwierigkeiten aber bereitet die Gesamthypothek 2. Wird nur ein Grundstück, auf dem 
die Gesamthypothek ruht, unter den Hammer gebracht, dann kann diese nach unserem Recht 
unweigerlich nur in ihrer Totalität berücksichtigt werden; werden aber mehrere gesamthaftende 
Grundstücke zusammen versteigert, dann ist auf Antrag die Haftung zu trennen und jedem Grund- 
stück ein Teil zuzuweisen, der dem Wertverhältnis der Grundstücke untereinander entspricht. 
Die Folge ist, daß, wenn die Gesamthypothek innerhalb des geringsten Gebotes steht, sie nicht 
mehr als Gesamthypothek, sondern als Hypothek für Teile der Forderung auf den verschiedenen 
Grundstücken übernommen wird, also z. B. auf das Grundstück A "8, B ½, C ½. Das wäre 
dem Grundstück vorteilhaft, aber es könnte die Lage des Gläubigers beeinträchtigen, denn man 
nimmt ihm hierdurch gerade die Gesamthaftung, die für ihn eine Lebensfrage sein kann. In 
diesem Zwiespalt hat man sich folgenderweise geholfen: man gibt ihm die Befugnis, zu ver- 
langen, daß ihm die Gesamtsumme bar bezahlt wird; jetzt ist er gedeckt, denn der Zuschlag 
wird nur erteilt, wenn er vollständige Befriedigung erhält (s 64, 83 8 VG.). Fällt die Gesamt- 
hypothek nicht ins geringste Gebot, sondern unter den Barerlös, so hat der Gläubiger das Recht, 
ihn beliebig unter den Barerlös der verschiedenen Grundstücke zu verteilen; verteilt er ihn nicht, 
so wird er nach Verhältnis der Grundstückserlöse verteilt (5 122 8 VG., 5+ 1132 BGB.). 
Das Bargebot ist auf sofortige Zahlung gerichtet, jedoch können Fristen gewährt werden, 
und insbesondere ist folgendes System möglich: ein Dritter meldet sich, läßt sich die frist- 
weise Zahlung zuweisen und entrichtet dafür eine Barsumme; diese Barsumme wird natürlich 
Diese Hypotheken werden, soweit sie sich aus dem Grundbuch ergeben, ebenso wie die 
eingetragenen sonstigen dinglichen Rechte, von Amts wegen berücksichtigt, 59 8 BG.; val. RG. 
13. 11. 1911 Z. f. Els. Loihr. 37 S. 165. 
* Man vol. R. 22. 11. 1906 Entsch. 64 S. 308, 3. 2. 1909 JW. 38 S. 167.
	        
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