378 J. Kohler.
zunehmen; so wer dem Schuldner eine Sache geliehen hat, auch wenn die Sache eine fremde
ist und dem Verleiher nicht gehört; ebenso aber auch der anfechtende Gläubiger, wenn er
behauptet, daß der vollstreckende Gläubiger ein durch actio Pauliana anfechtbares Forde-
rungsrecht habe und daher nicht berechtigt sei, das Pfändungspfandrecht ihm zum Nachteil
auszuüben 1. Daß das Gericht auf Antrag eine einstweilige Hemmung der Vollstreckung
eintreten lassen kann, steht mit diesem Sachverhalt natürlich nicht im Widerspruch, ebenso-
wenig, daß, sobald der Kläger durch Urteil für verpflichtet erklärt ist, den Gegenstand von
der Vollstreckung auszunehmen, die Gerichtsorgane gleichfalls schuldig sind, nicht mehr an
diesem Gegenstand Vollstreckungstätigkeiten auszuüben. Denn es versteht sich von selber, daß,
wenn eine Tätigteit des Klägers als rechtsverletzend erklärt wird, das Gericht sie nicht mehr
unterstützen darf (5§ 771 38O.)7. ·
Die Widerrechtlichkeit geschiegt durch den Vollstreckungsakt; ausschließlich zuständig für
die Aussonderungsklage ist das Gericht, welches die Zwangsvollstreckung vorgenommen oder
in dessen Bezirk der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung vollzogen hat (§ 771), bei
Forderungspfändungen (auch wenn die Forderung hypothekarisch gesichert ist) das Vollstreckungs-
gericht (bzw. das entsprechende Landgericht) 5.
Daß es sich in dieser Beziehung um privatrechtliche Verhältnisse handelt, geht auch aus
folgendem hervor: auch wenn keine Aussonderungsklage erhoben ist, handelt der Kläger rechts-
widrig, wenn er, obgleich wissend, daß es sich um eine fremde Sache handelt, die Vollstreckung
weiter geschehen läßt. Es handelt sich um ein Unrecht, für das er zivilrechtlich, ja selbst straf-
rechtlich, verantwortlich gemacht werden kann; und handelte er ohne Vorsatz, so kann er mindestens
für die Bereicherung haftbar werden.
Die Aussonderungsklage kann auch bei Vollstreckung gegen Grundstücke vorkommen; hier
aber liegt dem Vollstreckungsrichter das Grundbuch (der Auszug des Grundbuchamtes) vor:
ergibt sich daraus ein die Vollstreckung ausschließendes Recht eines Dritten, so hat das Voll-
streckungsgericht von sich aus die Vollstrechung aufzuheben oder doch (bis zur Hebung des Hinder-
nisses) einzustellen; denn die Vollstreckung soll nicht erfolgen, wenn nicht wenigstens eine äußer-
liche Verbindung des Vermögens mit dem Schuldner gegeben ist (5 28 8VG.).
5. Konkursrecht.
a) Allgemeines.
§& #8. Das Wesen des Konkurses besteht in der Gemeinschaftlichkeit der Vollstreckungs-
tätigkeit, durch welche versucht wird, ein möglichst gerechtes und vorteilhaftes Ergebnis zu er-
zielen; weshalb auch die Gesamtvollstreckung des Konkurses jede Einzelvollstreckung ausschließt.
Die Gläubiger des Gemeinschuldners (oder Gantschuldners) bilden eine Verlustgemeinschaft,
und hier ist es wie bei jeder Verlustgemeinschaft angemessen, daß sie sich zu gleichen Teilen in
den Verlust teilen und nicht etwa nach Zufall, nach zeitlichem Vorgang und anderen Umständen,
welche ein Vorrecht nicht zu rechtfertigen vermögen. Diese Verlustgemeinschaft kann nun aber in
verschiedener Weise tätig werden. Die eine Art ist die der Selbsthilfe, die andere bestcht darin, daß
die Gläubigerschaft sich dem Gerichte unterwirft und alles der gerichtlichen Tätigkeit überläßt.
Die verschiedenen Konkursrechte neigen sich nach dem einen oder anderen System. Das erste
System der Selbsthilfe entspricht dem römischen und dem langobardischen Recht, das andere
dem fränkisch-gotischen Recht. Es ist daher begreiflich, daß das erstere sich hauptsächlich in Italien
entwickelt hat, von wo es nach Frankreich kam und dort das fränkische System überwand. Das
andere — wir nennen es das bureaukratische System — hat seine Entwicklung in Spanien ge-
funden und ist von da in das gemeine Recht übergegangen; hier hat das Werk des Spaniers
Salgado de Samoza (1 1664) „Labyrinthus creditorum“ einen maßgebenden Einfluß
ausgeübt. Das modeme Recht strebt dahin, dieses bureaukratische System zu verbannen
und dem italienischen Verfahren den Vorzug zu geben: dies war der Gedanke der preußischen
: OLG. Hamm 24. 10. 1910 88P. 42 S. 195.
* So muß auch die Post entsprechen, wenn eine einstweilige Verfügung bestimmt, daß Briefe
mit einer bestimmten Firmenadresse dem A., nicht dem B. gehören u. a.
RG. 22. 3. 1907 Entsch. 68 S 376.