Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Zivilprozeß- und Konkursrecht. 379 
Konkursordnung vom 8. Mai 1855, und dies ist auch der Grundgedanke unserer deutschen Konkurs- 
ordnung, die zuerst am 10. Februar 1877 erging, am 1. Oktober 1879 in Kraft trat, dann aber 
durch Gesetz vom 17. Mai 1898 geändert, am 20. Mai 1898 neu bekannt gemacht wurde und 
in dieser Gestalt vom 1. Januar 1900 an in Wirksamkeit ist. 
Diese Art der Selbsthilfe unter Aussicht des Gerichts muß als Vollstreckungs- 
verfahren bezeichnet werden, denn die Selbsthilfe ist geregelt und überwacht. Zu diesem Zwecke 
bilden die Gläubiger, welche sich beim Konkurs beteiligen, eine Gemeinschaft, die sogenannte 
Konkursgemeinschaft. Hierzu gehören natürlich nicht nur diejenigen, die wirklich Gläubiger 
sind, sondern alle diejenigen, welche sich als Gläubiger angeben, denn die Gemeinschaft ist eine 
prozessualische, nicht eine materiell-rechtliche. Man sollte nun glauben, daß hierzu nur solche 
Personen zugelassen würden, welche bereits einen vollstreckbaren Titel für sich haben; denn die 
Vollstreckung verlangt regelmäßig ein durch Vollstreckungstitel gesteigertes Persönlichkeitsrecht. 
Beim Konkurs ist eine solche Steigerung nicht erforderlich; schon die Gesamtheit sorgt dafür, 
daß der einzelne, dem der vollstreckbare Titel fehlt, keinen Mißbrauch treibt. Man läßt daher 
alle, welche sich als Gläubiger melden, zunächst zur Konkursgemeinschaft zu, bestimmt aber dann, 
daß in einem besonderen Verfahren über das Gläubigerrecht des einzelnen entschieden werde, 
so daß die Nichtgläubiger allmählich ausgestoßen und die Konkursgemeinschaft auf die materiellen 
Gläubiger beschränkt wird. Dies ist die wichtige Aufgabe des Konkurzsfeststellungsverfahrens. 
Die prozessualische Konkursgemeinschaft hat als Organ den Konkursverwalter; sie darf 
nur durch dieses Organ handeln. Obgleich sie als Gemeinschaft nicht eine juristische Person ist, 
so bedarf sie wie die juristische Persönlichkeit eines Organs, und lann nur durch ein solches 
Organ tätig werden. Der Grund ist der: dieses Organ steht zugleich unter richterlicher Aufsicht, 
und auf solche Weise wird die ganze Selbsthilfetätigkeit der Gläubiger der gerichtlichen Für- 
sorge unterworfen 1. Im übrigen kann die Konkursgemeinschaft sich betätigen in der Gläubiger- 
versammlung und im sogenannten Gläubigerausschuß. Erstere ist das oberste Organ des 
Konkurses; sie wird vom Konkursgericht berufen und verhandelt unter Leitung des Konkurs- 
gerichts, wobei die Gläubiger nach Forderungen stimmen (über deren Höhe im Streit das Gericht 
eine einstweilige Entscheidung gibt). Der letztere ist ein Hilfsorgan zum Zweck der Beaussichtigung 
des Konkursverwalters, dem mitunter auch noch andere Tätigkeiten obliegen; ein Hilfsorgan, 
das aber nicht notwendig, sonderm nur fakulativ ist und nur in einem kleineren Teile aller Kon- 
kurse vorkommt; so §§ 78 ff., 87 ff., 93 ff., 129 ff. KO. 
Die Gläubigerschaft kann nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sein; die Schulden 
der Gläubigerschaft sind Masseschulden (Masseschulden, Massekosten): für sie haftet die Gläubiger- 
schaft, aber nur mit ihrem Beschlagsrecht (s§ 57—60 KO.). Wird das Vermögen schlecht be- 
handelt, und entsteht dadorch ein Schaden für den Gesamtschuldner, so haftet diesem die 
Gläubigerschaft nicht, wohl aber ihr Organ, der Konkursverwalter 2. 
Das Konkursgericht wirkt als staatliches Oberaussichtsorgan; es hat den Konkurs durch 
Beschluß zu eröffnen und zu schließen. Konkursgericht ist das Amtsgericht, und zwar zunächst 
der gewerblichen Niederlassung, sodann des Wohnsitzes; ist weder das eine noch das andere in 
Deutschland vorhanden, dann das Amtsgericht der etwaigen landwirtschaftlichen Niederlassung 
(9& 71, 238 KO.). 
b) Vollstreckbarer Titel: Konkurseröffnungsbeschluß. 
§ #. Der Konkurs bedarf eines vollstreckbaren Titels nicht für den einzelnen Gläubiger, 
wohl aber für die Gläubigerschaft als Konkursgemeinschaft. Der vollstreckbare Titel ist die 
Konkurseröffnung. Sie erfolgt durch richterlichen Beschluß, regelmäßig im Falle der Zahlungs- 
unfähigkeit des Schuldners, d. h. wenn dieser sich außer Lage sieht, die Geldansprüche zu be- 
friedigen, die ihm berechtigtermaßen angesonnen werden. Die Zahlungsunfähigkeit bekundet 
sich meist durch die Zahlungseinstellung, d. h. durch die Erklärung, mangels der Geldhilfsmittel 
nicht zahlen zu können 3. Mitunter, namentlich bei Aktiengesellschaften, Vereinen, Stiftungen, 
  
  
1 Uber die Stellung des Konkursverwalters vgl. auch Dernburg-Kohler VI S. 590. 
„ RG. 25. 11. 1911 JIW. 41 S. 202. 
* Kann der Schuldner einiges zahlen, anderes nicht, so kommt es darauf an, ob die Nichtzahlung, 
mit Rücksicht auf die Größe der Schulden, die Regel bildet, RG. 15. 12. 1911 JIW. 1912 S. 306.
	        
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