Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

Zivilprozeß- und Konkursrecht. 381 
Das Beschlagsrecht steht der Gläubigerschaft zu, d. h. nicht allen, die als Gläubiger an- 
gemeldet haben, sondern nur denjenigen Anmeldern, welche wirkliche Ansprüche gegen den 
Gantschuldner haben (Beschlagsgemeinschaft). Da aber diese wirklichen Gläubiger 
von der prozessualischen Gläubigergemeinschaft einstweilen nicht abgesondert werden können, 
so entscheidet über das Beschlagsrecht die prozessuale Gläubigergemeinschaft, die allerdings, 
indem mit der Zeit die Nichtgläubiger ausscheiden, mit der wirklichen Gläubigerschaft all- 
mählich zusammenfällt. 
Das Beschlagsrecht steht den Gläubigern zu, welche zur Zeit der Konkurseröffnung Gläubiger 
sind; man nennt diese Konkursgläubiger. Die Konkursgläubiger werden auf dem Wege des 
Beschlagsrechts befriedigt, also durch Erlangung von Geldzahlung; darum müssen ihre Forde- 
rungen, die nicht auf Geld gehen, prozessualisch in Geldbefriedigungsansprüche umgesetzt werden; 
betagte Forderungen müssen zu Sofortansprüchen werden (unter etwaigem Abzuge der Zwischen- 
zinsen); Gesamtschulden können vollständig in das Vermögen eines jeden Gesamtschuldners zur 
Geltung gebracht werden, auch wenn sämtliche Schuldner im Konkurs sind, nur daß das Ge- 
samtergebnis die wahre Forderung nicht überschreiten darf. Dies gilt auch, wenn der Gläubiger 
einer offenen Handelsgesellschaft im Konkurs dieser Handelsgesellschaft und zugleich im Einzel- 
konkurs des gesamthaftenden Gesellschafters anmeldet (§s 3, 65 ff., 212 KO.). 
In der Regel stehen die Beschlagsgläubiger einander gleich. Doch gibt es einige Aus- 
nahmen. Wie in der Grundstückszwangsversteigerung und zwangsverwaltung der Arbeits- 
lohn des letzten Jahres und die Abgaben der letzten zwei Jahre ein Vorrecht, selbst vor dem 
Hypothekengläubiger, genießen, so haben gewisse Konkursgläubiger ein Vorzugsrecht im Konkurs. 
Hierher gehören ebenfalls die Forderungen aus den Dienstverhältnissen des letzten Jahres (im 
Haushalt und Erwerbsbetrieb) und die Forderungen aus Abgaben des letzten Jahres, und zwar 
in zwei Klassen, zunächst die Staats- und Kommunalabgaben, sodann die Abgaben von öffent- 
lichen Sonderverbänden; hierzu treten aber noch die Forderungen aus Krankenbehandlung 
und endlich die Ansprüche derjenigen, deren Vermögen dem Gantschuldner infolge eines persön- 
lichen Mundschaftsverhältnisses gesetzlich überantwortet ist (Kinder, Bevormundete, 3#§ 61 ff. KO.). 
Geldstrafen und Schenkungsschulden stehen außerhalb des Konkurses, denn crecitores 
non puniuntur und nemo liberalis, nisi liberatus. Doch gilt dies nur von denjenigen Schenkungs- 
schulden, welche dem Schuldner aus eigener Schenkung anhaften, nicht von denjenigen, die er 
durch Erbgang übernommen hat; es gilt nicht von Vermächtnisschulden, die ihm kraft Erbgangs 
ankleben. Etwas Besonderes aber ist dann der Fall, wenn der Nachlaß selbst in Konkurs kommt. 
Hier bleiben Schenkungs= und Vermächtnisschulden natürlich zunächst im Hintergrund; sollte 
aber nach Tilgung der Nachlaßschulden noch Vermögen vorhanden sein, dann werden 
Schenkungen und Vermächtnisse nach einer bestimmten Skala zur Befriedigung gebracht, ebenso 
wie noch einige andere zurückstehende Forderungen (§s 226 KO.). 
In das Beschlagsrecht fällt das Vermögen des Gesamtschuldners, welches er zur Zeit 
der Konkurseröffnung besitzt. Das sonstige Vermögen, auch das während des Konkurses er- 
worbene, bleibt dem Beschlagsrecht fem, und so kommt es, daß der Schuldner zweierlei Ver- 
mögen hat: Konkursvermögen und konkursfreies Vermögen 1. Nicht in allen Rechten ist es 
so: manche geben der Gläubigerschaft mehr oder minder ein Anrecht auf das während des 
Konkurses erworbene Vermögen, mindestens, wenn es nicht durch Arbeit, sondern durch Glücks- 
fall, z. B. durch Erbgang, erworben wird; bei uns hat man dies wegen der dadurch herbei- 
geführten Verwicklungen abgelehnt. Man hat noch ein weiteres getan: man hat dieses außer- 
konkursliche Vermögen des Gantschuldners privilegiert, denn die Konkursgläubiger sind während 
des Konkurses sogar in der prozessualischen Unfähigkeit, es außerkonkurslich zur Vollstreckung zu 
bringen (§ 14 KO.), es ist für sie vollstreckungsimmun. 
Das Vermögen zur Zeit der Konkurseröffnung ist soweit Beschlagsvermögen, als es der 
Zwangsvollstreckung unterworfen ist; denn da der Beschlag eine der Zwangsvollstreckung gleich- 
stehende Selbsthilfe einleitet, so kann er sich naturgemäß nur auf dasjenige beziehen, was dem 
1 Konkursfreies Vermögen kann auch dadurch entstehen, daß die Gläubigerschaft aus irgend- 
welchen Gründen (z. B. der Kostenersparnis halber) auf das Beschlagsrecht an einem Vermögens- 
stück, z. B. einer Forderung, verzichtet; vgl. auch RG. 1. 3. 1912 JW. 41 S. 595.
	        
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