Zivilprozeß- und Konkursrecht. 389
kräftige Urteil kraft § 894, auf dessen Vorlegung hin die Eintragung stattfindet 1. Daß es
weder in der einen noch in der anderen Weise einen Zwang zur Eheschließung gibt, versteht
sich von selbst (§§ 888, 894 8PO.) 2.
Von viel größerer Bedeutung ist der Zwang zur Unterlassung. Insbesondere in ding-
lichen Verhältnissen und in Verhältnissen des Immaterialrechts besteht der Rechtszwang haupt-
sächlich darin, jemanden an der Verletzung des Rechts zu hindern und die Verletzungshandlung
gewaltsam einzustellen.
Wir können dies nicht nur dadurch, daß wir dem Beklagten an das Vermögen gehen, daß
wir für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Geldbuße bestimmen; wir können, wie im eng-
lischen Recht, dem Zuwiderhandelnden mit Haftstrafe drohen und diese Haftstrafe vollziehen.
Wir setzen in einem solchen Falle eine Strafordnung fest für die Verletzung der richterlichen
Autorität und lassen daraufhin die Strafe eintreten, allerdings nur auf Antrag, sofern der Kläger
die Verletzung der richterlichen Autorität zur Sühnung bringen will; denn die richterliche Autorität
hat sich nur im Interesse des Klägers auf die Persönlichkeit des Beklagten gelegt. Auf solche
Weise kann für jede Zuwiderhandlung eine Haftstrafe bis zu sechs Monaten angedroht werden,
und für mehrere Zuwiderhandlungen ist eine Zusammenrechnung (Kumulation) möglich, nur
daß eine auf solche Weise gebildete Gesamtstrafe den Betrag von zwei Jahren Haft nicht
übersteigen darf (§ 890 8PO.). Da es sich um eine Strafe handelt, so wird vorausgesetzt, daß
die Zuwiderhandlung eine verschuldete war 3.
Unsere Gerichte haben davon auch reichlichen Gebrauch gemacht, fast ebenso reichlich wie
der englische Kanzler mit der Injunction des Equity-Rechts, und es gehört diese Art des Zwanges
zu den Hauptkennzeichen unseres heutigen deutschen Prozesses, namentlich im Industrierecht.
UÜbrigens kann die Verpflichtung zur Unterlassung zugleich die Verpflichtung enthalten,
die widerstrebenden Einrichtungen zu entfernen und kann dann die Vollstreckung auch nach
dieser Richtung erfolgen 4.
Ausnahmsweise findet eine Unterstützung des Zivilrechts durch polizeilichen Zwang statt;
so reichsrechtlich bei Vertragsbruch von Lehrlingen (F 1274 GewO.) und Schiffsleuten (§ 33
SeemannsO. vom 2. Juni 1902), welcher polizeiliche Zwang aber natürlich hinter einem Urteil
oder auch nur einer einstweiligen Verfügung zurückstehen muß. Landesrechtlich gilt ähnliches
im Gesinderecht (a. 95 BGB., Preuß. Gesinde O. 1810 5 167)
C. Außerordentliche Hrozeßbildungen und
Erstreckungen des Prozesses.
Erstes Buch.
Exekutivverfahren.
I. Allgemeines.
§ 109. Aus dem germanischen Selbsthilferecht hat sich eine Uberfülle von prozessualischen
Formen gebildet, welche bestrebt sind, die Vorteile der Selbsthilfetätigkeit möglichst zu wahren,
zu gleicher Zeit aber die Nachteile der Selbsthilfe zu beseitigen. Dies geschah dadurch, daß man
mehr oder minder die Tätigkeit des Gerichts oder der Gerichtsorgane heranzog, welche dem
Gläubiger unter gewissen Bedingungen dienstbar sein mußten: die auf solche Weise schleunigst
herangerufene Gerichtstätigkeit trat an Stelle der Selbsthilfe.
1 RE. 21. 6. 1911 Entsch. 76 S. 409.
!* Frühere Zeiten waren nicht so rücksichtsvoll: so wurde 1737 ein Bursche mit Gewalt in
die Kirche geschleppt, es wurde Hand in Hand gegeben und vom diaconus mandato Serenissimi
„Ja“ gesagt (Zeitschr. f. Gesch. des Oberrheins) XXVIII S. 127.
* RG. 36 S. 418, OLG. Hamburg 3. 3. 1911 Mugdan XXIII S. 225.
* O#. Düsseldorf 21. 12. 1911 Mugdan XXV S. 203.