Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

396 J. Kohler. 
Wie man aber die Person verhaftete, so verhaftete man auch ihre Waren, wenn man 
ihrer habhaft werden konnte, und es entwickelte sich neben dem persönlichen der dingliche Arrest, 
namentlich als Fremdenarrest 1. 
Auf solche Weise ist das Institut in das neuzeitige Recht herübergekommen; den Re- 
pressalienarrest hat man, als dem modernen Gerechtigkeitssinne widersprechend, abgeworfen, 
denn ein solches Haften eines einzelnen für alle Bürgergenossen konnte nur in früheren 
Zuständen innerlich begründet erscheinen, bei der starken Entwicklung des genossenschaft- 
lichen Lebens, das allmählich gesprengt wurde. Aber auch die Geschichte des persönlichen 
Arrests zeigt eine ständige Mildenung. Man konnte ursprünglich den Schuldner, auch wenn 
er nichts hatte, verhaften, um Dritte auf solche Weise zu nötigen, für den Unglücklichen ein- 
zutreten: man spannte gleichsam den Schuldner auf die Folter und veranlaßte dadurch Ver- 
wandte und Freunde, sich seiner zu erbarmen; die Verhaftung war hier nicht der unmittelbare 
Zweck der Maßnahme, sondern nur ein Beugungsmittel, um etwas anderes zu erzielen. 
Diese Art der Arrestierung ist bis in die modeme Zeit gebräuchlich gewesen; allmählich 
hat man sie aufgegeben und die Verhaftung bedeutend beschränkt. Zwar suchte man immer 
noch die Inhaftnahme als eine Art von Folter zu benutzen, aber nicht mehr als Folter, um 
das Mitleid und Mitgefühl Dritter zu erregen, sondern als Folter, um den Schuldner selber 
zu zwingen, sein eigenes Vermögen herbeizuschaffen 2. Es hing dies mit dem ganzen Folter- 
system des Mittelalters zusammen, denn man glaubte sich auch berechtigt, den Gantschuldner 
zu foltern, um Vermögensstücke anzugeben 3. Hier konnte also die Verhaftung nur einen Zweck 
haben, solange der Schuldner Vermögensstücke besaß: er sollte sie aus dem Versteck herbei- 
schaffen, er sollte sie aus dem Auslande ins Inland bringen, er sollte ihre Verwertung und 
Liquidation fördern; der Nachweis, daß der Schuldner kein Vermögen mehr besaß, mußte ihn 
daher von der Verhaftung befreien. 
Aber auch dieser Gedanke der Folterung des Schuldners ist aufgegeben worden; zwar 
kennt unser Recht noch einen Zwang zu Handlungen der Willkür, es kennt im Konkurs auch 
noch einen Zwang zum Angeben der Vermögensstücke und zur Erteilung der nötigen Auskünfte; 
dagegen ist ein Rechtszwang, Vermögen herbeizuschaffen, nicht mehr als statthaft erschienen, 
und es kann darum ein Ausländer nicht mehr zu dem Zweck verhaftet werden, um sein Ver- 
mögen ins Inland zu verbringen. Was noch heutzutage statthaft ist, ist folgendes: der Schuldner 
soll jedenfalls nichts tun, um die Vollstreckungsmaßnahmen zu durchkreuzen; dies zu verhindern, 
kann man ihn in Haft nehmen, so lange als die Gefahr einer die Vollstreckungstätigkeit hemmen- 
den und die Vollstreckungszwecke erschirerenden Wirksamkeit des Schuldners besteht (&918 8 PO.). 
Von viel größerer Bedeutung ist heutzutage der sogenannte dingliche Arrest: ein Aushilfs- 
mittel für den Fall, daß zwischen Rechtsfestsetzung und Vollstreckung ein zeitliches Mißverhältnis 
eintritt. Nicht selten würde durch die Rechtsfestsetzung die richtige Zeit versäumt, um die Voll- 
streckung vorzunehmen und den Gläubiger zu einem wirksameren Ergebnis zu führen; nicht 
selten ist die Gefahr vorhanden, daß der Schuldner sein Vermögen verschleudert, daß er es ins 
Ausland schafft, oder daß Vermögensstücke, die gerade zur Hand sind, verschwinden und un- 
faßbar werden. Dieser Widerspruch von Rechtsfestsetzung und Rechtsverwirklichung soll dadurch 
ausgeglichen werden, daß man zugunsten des die Verantwortung übernehmenden Klägers einen 
vorläufig vollstreckbaren Titel schafft“, sobald er nicht nur seine Forderung, sondern auch die 
Art der Gefährdung glaubhaft macht. 
Ausnahmsweise ist ein Arrest ohne besondere Gefährdung statthaft: zur Sicherung des 
Bodmereigläubigers, sobald das Schiff im Bestimmungshafen angelangt ist (§ 691 HGB.). 
1 Bgl. Beaumanoir XV 24, Coustumes du Chatelet a. 49, Jean des Mares a. 233, 
Cout. de Paris (1510) a. 192, (1580) a. 173, Orléans (1683) a. 442, Rheims (1556) a. 407 
und andere. Ferner die Nachweise bei Schauberg, Zeitschr. f. Schweizer Rechtsquellen I 
S. 233 N. 1 und andere. 
Dieselbe Entwicklung läßt sich im Islam verfolgen; vgl. Fathy, La doctrine Musul-- 
mane de l’abus des droits (1913) p. 242 und darüber Z. vgl. R. XXIX S. 441. 
* Leitfaden des Konkursrechts, 2. Aufl. S. 16. 
* Vel. Peckinus de jure sistendi c. 4: ab ipsa arrestatione incipiendum esse, alioqui 
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