Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

398 J. Kohler. 
mehr, so ist es seine Sache, einen vollstreckbaren Titel gewöhnlicher Art, z. B. ein Urteil zu 
erwirken und dieses zur Vollstreckung zu bringen, wobei natürlich die neue Pfändung ledig- 
lich in der Form der Anschlußpfändung zu geschehen braucht. Dann entwickelt sich die Sache 
in gewöhnlicher Weise weiter; die Arrestvollstreckung aber hatte die Funktion, durch vorläufige 
Pfändung die Sache festzuhalten und die endgültige Vollstrecuung zu ermöglichen. 
VI. Einstweilige Verfügung. 
&* 114. Die einstweilige Verfügung stand früher in strenger Verbindung mit dem 
Prozeß, insbesondere mit dem Besitz= und Eigentumsprozeß, und bestand hauptsächlich in der 
Segquestration der streitigen Sache, um ihre Verschlechtenung im Laufe des Prozesses zu 
verhüten; und im Eheprozeß und Entmündigungsverfahren erfolgte sie, um die Schwierig- 
keiten des sich trennenden gemeinschaftlichen Lebens bis zur endgültigen Lösung zu be- 
gleichen. 
Im modernen Recht hat sie einen gewaltigen Aufschwung genommenz; sie ist ein Kenn- 
zeichen der großen Industriestaaten; in England und Amerika wäre das Recht nicht ohne die 
einstweilige Verfügung, die provisional injunction, denkbar: je verwickelter die Verhältnisse 
und je nötiger die schleunige Abhilfe, desto notwendiger ist dieses Mittel, welches Schynelligkeit 
und Vorsicht in sich vereinigt. 
Während der Arrest die einstweilige Vollstreckung eines Geldanspruchs bezweckt, so will 
die einstweilige Verfügung die Vollstreckung eines sonstigen Anspruchs sichem, insbesondere 
eines Anspruchs auf Tun oder Nichttun; so, wenn ich einen negatorischen Anspruch 
habe auf Ablassen von einer mein Eigentum schädigenden Tätigkeit, oder auf Ablassen von 
einer das Patent verletzenden Produktionsweise. Daneben hat sich das Institut auch in 
seiner alten Funktion erhalten, als Sequestration oder sonstige Sicherung eines streitigen 
Besitzstandes. Ein neues Gebiet ist ihm im Grundbuchwesen erwachsen: dieses kann nicht be- 
stehen ohne die Möglichkeit der Vormerkung und des Widerspruchs, weil nur so die Gefahr 
beseitigt werden kann, welche in dem guten Glauben des Grundbuchs liegt (585 885, 899 BG.); 
beide aber bedürfen als Grundlage der einstweiligen Verfügung. 
Die einstweilige Verfügung ist wie der Arrest ein provisorisch vollstreckbarer Titel, welcher 
Glaubhaftmachung und Übernahme der Gefahr voraussetzt und daraufhin das Persönlich- 
keitsrecht des Klägers dahin steigert, daß er zu Vollstreckungsmaßnahmen befugt wird. Sie 
ergeht meist kraft Urteils nach mündlicher Verhandlung durch das Gericht der Hauptsache 
(5 937), ausnahmsweise auch ohne mündliche Verhandlung durch das Amtsgericht der ge- 
legenen Sache (aber meist nur als summarüssimum, d. h. unter Ansetzung einer Frist, in 
welcher der regelrechte Antrag bei dem Hauptgericht zu stellen ist (§ 942)). Regelmäßig ver- 
langt sie außer der Glaubhaftmachung des Anspruchs noch die besondere Dringlichkeit (85 935, 
936). Doch gibt es Fälle, wo eine besondere Dringlichkeit erfordert wird; so: 
1. im Eheprozeß bezüglich des einstweiligen Aufenthalts und bezüglich des Unterhalts der 
Familienangehörigen (§5 627 Z8 PO.), und entsprechend im Entmündigungsverfahren. 
(85 672, 684, 686); . 
2. in den eben bezeichneten Fällen der Vormerkung und des Widerspruchs: hier kann 
auch das Amtsgericht der gelegenen Sache angerufen werden, 8 942; 
3. als Gegenwirkung gegen den unlauteren Wettbewerb (5 25 Wettbewerbgesetzes v. 1909). 
Erforderlich wäre eine Erstreckung des vorigen Falles auf das ganze Gebiet des 
Industrierechts. 
Die Vollstreckung der einstweiligen Verfügung erfolgt, wenn es sich um die Pflicht zur 
Unterlassung handelt, durch ein Strafverbot 1, in Grundstücksachen durch Eintragung einer Vor- 
merkung oder eines Widerspruchs im Grundbuch (§§ 885, 899 BG.). 
Wer einen Arrestbefehl oder eine einstweilige Verfügung erwirkt, der überimmt 
von selbst alle Garantie für den Schaden, welcher dem anderen hierdurch erwächst, falls 
1 Welches zuzustellen ist, RG. 21. 3. 1902 Entsch. 51 S. 129, RE. 8. 7. 1910 JW. 39 S. 831.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.