Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. 417
sichten, so daß eine Zeitlang selbst das Zustandekommen des Gesetzes in Frage gestellt schien.
Wenn Abs. 3 des § 179, dessen Fassung versehentlich unverändert blieb, die Feststellung im
Protokoll, daß der Beteiligte der deutschen Sprache nicht mächtig ist, bei Strafe der Nichtig-
keit vorschreibt, so kann hierunter nunmehr nur noch eine auf Grund der Erklärung des Be-
teiligten (nicht aber eine auf Grund richterlicher Uberzeugung) getroffene Feststellung verstanden
werden (so die herrschende Meinung; abweichend Eccius in Guuchots Beitr. Bd. 43 S. 298,
537, Bd. 45 S. 177, Dronke in DJur3. 1901, S. 495, Aron in Z. f. BP. Bd. 27 S. 323,
Josef, Komm., Anm. 1 zu §& 179).
§s 14. Beratung und Abstimmung. 1. Die Beratung und Abstimmung in Gerichts-
kollegien hat nach § 8 FG., der landesrechtlich auf landesgesetzliche Angelegenheiten
der FW. ausgedehnt ist, nach den Vorschriften des GVG. (S§ 196—200) zu geschehen. Dies
gilt, vorbehaltlich der Sonderbestimmung des § 1874 BG#B., auch für den Familienrat.
2. Auf nicht-gerichtliche Behörden (oben § 5 Ziff. 2) finden die genannten Vorschriften
keine Anwendung.
15. Gerichtsferien. 1. Die Angelegenheiten der FG. gestatten, wenn nicht die Inter-
essen der Beteiligten geschädigt werden sollen, regelmäßig keinen Aufschub. Daher die (auch
landesrechtlich übernommene) Vorschrift, daß auf das gerichtliche Verfahren die Gerichts-
ferien ohne Einfluß sind (5§ 10 Satz 1 FGG.). Die Bearbeitung während der Ferien
erfolgt durch die Ferienkammern und Feriensenate (§ 203 GVG.).
2. Nach § 10 Satz 2 FG. kann jedoch die Bearbeitung der Vormundschafts-
und Nachlaßsachen, nach Landesrecht (so § 91 Abs. 1 preuß. AG. z. GV.) auch der
Lehens-, Familienfideikommiß= und Stiftungssachen, während der Ferien unterbleiben, soweit
das Bedürfnis einer Beschleunigung nicht vorhanden ist. Ob letzteres der Fall, entscheidet
das Ermessen des Richters im Einzelfall, wogegen Anrusung der Aussichtsbehörde, nicht aber
Beschwerde nach § 19 F#G. (unten § 20), gestattet ist.
8 16. Notariate und Grundbuchämter. 1. Die Ausgestaltung des Notariats ist
dem Landesrecht verblieben und in sehr verschiedenartiger Weise erfolgt: Teils sind die Notariate
Behörden (Württemberg, Baden), teils sind die Notare zwar Beamte, aber nicht Behörden
(Preußen u. a.). Das Notariat ist weiter teils mit der Rechtsanwaltschaft verbunden oder doch
vereinbar (Preußen, Sachsen und die meisten norddeutschen Staaten), teils von ihr getrennt
(so in Bayern, Württemberg — mit Ausnahme der hier neben den Bezirksnotaren zugelassenen
„öffentlichen Notare“ —, Baden, Elsaß-Lothringen, Hamburg). Sein Geschäftskreis umfaßt
teils in der Hauptsache nur das Beurkundungswesen (Preußen und andere norddeutsche Staaten),
teils auch die Zwangsversteigerung von Grundstücken (Bayern, Württemberg, Baden, Elsaß-
Lothringen), in Württemberg und Baden außerdem das Grundbuch= und Nachlaßwesen, in
Württemberg auch das Vormundschaftswesen. Als Vorbildung wird zumeist die Befähigung
zum Richteramt erfordert; nur Württemberg sieht überhaupt von dem Verlangen akademischer
Vorbildung ab. Gar keine Notare haben Oldenburg, Sachsen-Weimar und einige kleinere
Staaten. (Vgl. Das Urkundenwesen der deutschen Staaten, herausgegeben vom deutschen
Notarverein.)
2. Auch die Verfassung der Grundbuchämter ist Sache des Landesrechts. über-
wiegend sind die Amtsgerichte für zuständig erklärt (so namentlich in Preußen, Bayern, Sachsen).
In Württemberg und Baden bildet grundsätzlich jecde Gemeinde den Sitz eines staatlichen Grund-
buchamts, das durch den sonst für die Gemeinde zuständigen Bezirksnotar (Notar) als Grund-
buchbeamten verwaltet wird. Für die Amtsgerichtssitze können durch Anordnung des Justiz-
ministeriums die Geschäfte des Grundbuchamts dem Amtzgericht übertragen und in Baden
kann in Gemeinden von mehr als 10 000 Einwohnern das Grundbuchamt als Gemeindeamt
errichtet werden, wobei (von der Übergangszeit abgesehen) nur ein zum Richteramt oder Notariat
Befähigter als Grundbuchbeamter bestellt werden kann.
Cncyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band III. 27