122 G. Anschütz.
Etat für die Schutzgebiete alljährlich durch Reichsgesetz festzustellen und über die Verwendung
aller Einnahmen durch den Reichskanzler dem Bundesrat und Reichstag Rechnung zu legen.
Vgl. RG. über die Einnahmen und Ausgaben der Schutzgebiete vom 30. März 1892 (RGBl. 369),
geändert und ergänzt durch Ges. vom 18. Mai 1908 (RGBl. 207).
Im übrigen, abgesehen von den vorstehend angeführten Punkten, ist der Kaiser in der
Ausübung der ihm übertragenen „Schutzgewalt“ unbeschränkt. Und diese Gewalt selbst ist
auch in sich rechtlich schrankenlos. Sie ist nichts anderes als die Reichsgewalt, bezogen auf die
Schutzgebiete, souverän, wie stets und überall, ferner aber, in besonderer Gestaltung (wie sonst
nur noch in Elsaß-Lothringen), konsolidiert zur vollen, lückenlosen Staatsgewalt des Einheits-
staates. Die Schutzgewalt ist, wie bereits hervorgehoben, nicht bloße Oberhoheit, sonderm
Hoheit; sie umfaßt nicht nur einzelne Staatshoheitsrechte, sonderm alle.
An der Spitze der Verwaltung der Schutzgebiete steht der Reichskanzler, unter dessen
verantwortlicher Oberleitung diese Verwaltungsangelegenheiten bezüglich Kiauschous im Reichs-
marineamt, bezüglich aller anderen Schutzgebiete im Reichskolonialamt (lhervor-
gegangen aus der ehemaligen Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts, Kaiserl. Erlaß vom
17. Mai 1907; vgl. oben S. 115) bearbeitet werden. An der Spitze jedes Schutzgebietes steht
ein Gouverneur, welcher vom Kaiser emannt wird. Dem Gouverneur steht als beratendes
Kollegium zur Seite ein Gouvernementsrat, zusammengesetzt aus Beamten des
Schutzgebietes und unbeamteten, der weißen Rasse angehörigen Mitgliedem. Die meisten
Schutzgebiete sind in Amtsbezirke eingeteilt; jedem Amtsbezirk ist ein Bezirksamtmann
vorgesetzt.
Zweiter Abschnitt: Monarch und Volksvertretung in den
deutschen Einzelstaaten (Landesherr und Landtag).
1. Der Monarch.
8§ 26. Die rechtliche Stellung des Monarchen im Staat!.
Es ist bekannt, wie weit man fehlgehen würde, wollte man in der — oben §+ 7 geschilderten —
konstitutionellen Bewegung und ihrem Erzeugnis, den Verfassungsurkunden des 19. Jahrhunderts,
Ursprung und Grundlage der deutschen Monarchie erblicken. Nicht damals erst sind die deutschen
Kronen geschaffen worden. Sie sind älter als der konstitutionelle, älter auch als der ihm vorauf-
gehende absolute Staat, älter als jeder Staatsbegriff der letzten Jahrhunderte. In das Mittel-
alter reicht die Entwicklung hinauf, welche in gewaltigen Wandlungen den Landesherrn, den
dominus terrae von damals zu dem absoluten Herrscher des 18. Jahrhunderts gemacht und aus
diesem weiter das konstitutionelle Staatsoberhaupt von heute hervorgerufen hat. Auf die
frühesten Stufen dieser Entwicklung ist hier nicht einzugehen; s. hierüber die Darstellung
Brunners in dem rechtsgeschichtlichen Teile dieses Werkes, oben Bd. 1 120 ff. Die ge-
schichtlichen Wurzeln sind in der späteren Stauferzeit zu suchen, als es den deutschen Fürsten
gelang, die ihnen durch Belehnung erblich übertragenen Amtsgewalten und die Amtsbezirke
in ihren Eigenbesitz zu bringen und hieraus, unter Hinzunahme allodialer Güter und Rechte,
territoriale Besitzeinheiten, Länder zu bilden, in denen ihnen und ihren Familien nun die
Landeshoheit zustand. Diese Landeshoheit, aus welcher die deutsche Einzelstaatsgewalt
der neueren und heutigen Zeit hervorgehen sollte, zeigt, vom Standpunkt des modernen
Staatsgedankens betrachtet, zunächst noch ein lückenhaftes Bild. Lückenhaft: — die
Landeshoheit ist keine einheitliche, allseitige, geschweige denn souveräne Gewalt, sondern ein
Konglomerat, zusammengesetzt aus vielerlei einzelnen Hoheiten und Rechten: gerichtsherrliche,
1 Aus der reichhaltigen Literatur seien herausgegriffen: G. Meyer §F 84 ff.; v. Ger-
ber, Grundzüge 88 25 ff.; Schulze, Deutsch. Staatsr. 1 183 ff.; Jellinek, System
147 fl., Staatslehre 653 ff. und Ausgewählte Schriften und Reden (1911) 1 392 ff., besonders
404 ff. (Der Kampf des alten mit dem neuen Recht); v. Treitschke, Politik 2 d# 15—18;
Brie, Art. „Landesherr“ in v. Stengel-Fleischmanns Wörterb. des deutschen Staats-
und Verwaltungsrechts; v. Martitz, Die Monarchie als Staatsform (1903).