Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

124 G. Anschütz. 
2. Denn die Stellung des Monarchen ist Organschaft im Staat. Wohl hat der 
Monarch, hat diese Person und keine andere ein wohlerworbenes, angestammtes Recht auf 
jene Organschaft, aber letztere selbst ist Tätigkeit für den Staat, Verwaltung von Gütem und 
Rechten, die nicht dem Verwalter, sondern einem anderen, dem von ihm Vertretenen: dem 
Staate, gehören. Das Recht auf die Krone steht dem Monarchen als sein Recht zu, die Krone 
selbst aber gehört dem Staat. Die sog. Regierungsrechte (Kronrechte, Moajestätsrechte, Prä- 
rogativen) des Monarchen sind nicht ihm, sondern dem Staate „eigen" (vgl. hierher auch oben 
S. 9, 10, 26). Dies leugnen hieße einen Rückschritt tun hinter die Entwicklungsstufe des Ab- 
solutismus in die Gedankenkreise der Patrimonialzeit. 
3. Diese Organschaft ist nach Art, Inhalt und Umfang eine die Kompetenz aller anderen 
Staatsorgane überragende, einzigartige. Nicht zwar deshalb, weil ihr der Charakter der Un- 
mittelbarkeit eignet: diesen teilt sie mit der Volksvertretung; auch diese (s. unten § 32) ist ein 
„unmittelbares“, d. h. den Staatswillen in direkter Repräsentation verkörpermdes Staatsorgan, 
welches so wenig wie die Krone noch ein anderes, höheres Organ über sich sieht. Auch nicht 
deshalb, weil der Monarch das ranghöchste, femer das zur Vertretung des Staates nach außen 
allein legitimierte Organ ist: diese Momente treffen auch zu bei den Staatsoberhäuptem der 
parlamentarischen (d. h. auf dem Prinzip der Volkssouveränetät beruhenden; vgl. oben S 7, 
S. 40, 41) Monarchien und der Republiken, Verfassungstypen, welche in dem hier relevanten 
Punkte von der Monarchie nach deutschem Landesstaatsrecht gerade spezifisch verschieden sind. 
Dieser Punkt betrifft die Frage, wer in dem oben § 3 S. 25, 26 erörterten Sinne Träger der 
Staatsgewalt ist. Diese Frage ist bezüglich der Monarchen parlamentarisch regierter 
Staaten und der republikanischen Präsidenten zu verneinen, wie sie auch im Reichsstaatsrecht 
bezüglich des Kaisers zu verneinen war (oben S. 104); für die Monarchen der deutschen Einzel- 
staaten ist sie zu bejahen. Die Staatsorganschaft des deutschen Landesherrn ist Träger- 
schaft. Dem Staatsrecht aller deutschen Monarchien liegt jene Präsumtion zugrunde, welche 
für die Unbeschränktheit und Alleinzuständigkeit der Krone und gegen die Kompetenz wie aller 
beschränkenden Faktoren so insbesondere der Volksvertretung streitet (s. oben § 7 S. 41 ff.). 
Der Monarch teilt die Ausübung der Staatsgewalt mit niemand und ist zu dieser Ausübung 
allein berufen, soweit die Verfassung nicht ein anderes bestimmt, d. h. die Ausübung von Staats- 
hoheitsrechten anderen Organen (Landtag, Gerichte, Minister, Staatsrat) überträgt oder mit- 
überträgt. Der Monarch repräsentiert den Staat voll, — ein Satz, welcher unter der abso- 
luten Monarchie ohne jede Ausnahme galt, heute aber mit denjenigen Ausnahmen und Maß- 
gaben gilt, welche die Verfassung bestimmt. Die vorstehenden Grundsätze gelten zunächst un- 
bestreitbar und unbestritten in denjenigen deutschen Staaten, deren Verfassungen sie ausdrücklich 
proklamieren. Dies ist geschehen durch die mittelstaatlichen Verfassungen. Wenn es dort — vgl. 
bayr. Vl. Tit. II § 1, württ. u. sächs. § 4, bad. § 5, hess. Art. 4 — übereinstimmend heißt: 
„Der König (Großherzog) vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie unter den 
in dieser Verfassungsurkunde festgesetzten Bestimmungen aus,“ so besagt diese Wendung nämlich 
nicht, daß der Monarch in jedem Falle des Handelns für den Staat einer „in der Verfassung 
festgesetzten Bestimmung“ als eines ermächtigenden Titels bedürfe, sondern umgekehrt, daß 
der Monarch zur Ausübung der ganzen Staatsgewalt berufen und allein berufen ist, soweit 
die Verfassung ihn nicht von einzelnen Funktionen ausdrücklich ausschließt (Justiz) oder be- 
schränkt (Gesetzgebung). Auch das preußische Staatsrecht weicht hiervon nicht ab, obwohl 
die preußische VU. eine so allgemeingefaßte Bestimmung über Rechtstellung und Kompetenz 
der Krone wie die oben angegebenen Verfassungen sie enthalten, nicht aufgenommen hat: die 
Aufnahme wurde mit Recht für entbehrlich erachtet (vgl. Anschütz, Gegenwärtige Theorien 
über den Begriff der gesetzgebenden Gewalt und den Umfang des Königlichen Verordnungs- 
rechts nach preuß. Staatsrecht, S. 3 ff.). 
4. Der Monarch in Person ist schließlich Subjekt gewisser öffentlichrechtlicher Ansprüche 
gegen den Staat, welche ihm mit der Krone zugleich von Rechts wegen zufallen: der Mon- 
archenrechte (s. hierüber insbes. Jellinek, System 147 ff.). Nicht zu diesen gehören, 
wie oben unter 2. erwähnt, die der Krone zur Ausübung übertragenen bzw. belassenen „Re- 
gierungsrechte“: sie sind subjektive Rechte nicht des Monarchen, sondern des Staates. Die 
Monarchenrechte sind folgende: 3) der Anspruch, Monarch zu sein und als solcher zu gelten, das
	        
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