Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Staatsrecht. 131 
einige mit subsidiär kognatischer Thronfolge; so läßt Baden (a. a. O. § 3) zwar die männlichen 
Nachkommen der Prinzessinnen zu, schließt diese selbst aber aus, während in Bayern, Württem- 
berg, Sachsen eine regierende Königin rechtlich möglich ist. Andere persönliche Qualifikationen 
stellt das geltende Recht im allgemeinen nicht auf, jedoch können sich solche unter Umständen 
aus Vorschriften ergeben, welche, wie in Preußen und Baden, die Begründung einer Per- 
sonalunion mit ausländischen Staaten an die Zustimmung des Landtags binden oder schlecht- 
weg verbieten. Das vereinzelte Erfordemis christlicher Konfession — § 5 württ. Vl. — ist eine 
bloße „Sollvorschrift". Die Sukzessionsausschlußgründe des alten Reichsrechts, Goldene Bulle 
c. VII §J& 2, 3, XXV §F8 3, 4: Regierungsunfähigkeit wegen körperlicher oder Geisteskrank- 
heit, sind heute jedenfalls in denjenigen Staaten beseitigt, welche (es sind weitaus die 
meisten) für den Fall der Regierungsunfähigkeit des Monarchen die Einsetzung einer Regent 
schaft (s. den nächsten Paragraphen) anordnen, eben hierdurch aber die Sukzessionsfähigkeit 
des Geisteskranken usw. implicite anerkennen. Wo es hingegen — wie z. B. in Baden — 
an jeder modernen Ordnung der Regentschaft fehlt, ist die gewohnheitsrechtliche Fortgeltung 
jener Bestimmungen der Goldenen Bulle, vorausgesetzt, daß selbige in dem betreffenden Lande 
zu alten Reichszeiten in Kraft standen, nicht ausgeschlossen, sogar zu vermuten, und kann unter 
diesen besonderen Verhältnissen auch das Sakzessionshindernis des geistlichen Standes (GB. 
C. VII) heute noch praktisch werden. 
Die Heilung notorischer Abstammungs- und persönlicher Mängel (vorstehend zu a, Ö#) 
bedeutet eine Dispensation von Vorschriften des Thronfolgerechts, kann also, anerkannten 
Grnndsätzen zufolge, nur durch die Faktoren und in den Formen bewirkt werden, von bzw. in 
denen das Thronfolgerecht abgeändert werden darf (oben S. 129, 130). 
bv) Die Thronfolgeordnung. Sie beruht in allen deutschen Staaten über- 
einstimmend auf dem Recht der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge (vgl. preuß. Vl. 
Art. 53 — oben S. 129 —, Tit. II § 2 bayer., §6 sächs., 37 Württ. VU.). Das hiermit bezeichnete 
Prinzip bringt einen dreifachen Vorzug zum Ausdruck: den Vorzug des Mannsstammes vor 
der weiblichen Nachkommenschaft des primus acquirens, den Vorzug der älteren Linie vor der 
jüngeren, den Vorzug der Erstgeburt unter Brüdern. — Aus der ersten dieser drei Ordnungs- 
regeln ergibt sich, daß die Kognaten, soweit sie überhaupt folgeberechtigt und nicht von der Suk- 
zession absolut ausgeschlossen sind (s. oben), jedenfalls hinter allen Agnaten zurückstehen. Erst 
bei völligem Erlöschen des Mannsstammes kommt die Reihe an sie. Die Frage, wer in diesem 
Falle unter mehreren vorhandenen Kognaten der nächste zum Thron ist und demgemäß sukzediert, 
ist von den die subsidiäre Kognatenfolge zulassenden Verfassungen verschieden beantwortet 
worden: Bayem (Tit. II § 5 Vl.) fingiert die bei dem Tode des letzten vom Mannesstamm 
vorhandenen Kognaten als Agnaten und ordnet sie dementsprechend nach Primogenitur und 
Linealfolge, Sachsen (§ 7) läßt das Lineal-Gradualsystem, Württemberg (5§ 7) das reine Gradual- 
system, eventuell das höhere Lebensalter über die angegebene Frage entscheiden. Immer aber 
ist die (lineare oder graduelle) Nähe zu dem letzten vom Mannesstamme, dem ultimus defunctus 
ausschlaggebend; ein Vorzugsrecht der Regredienterben (Abkömmlinge der Kognaten, 
welche früher, weil der Mannesstamm noch blühte, und solange er blühte, von der Thronfolge 
ausgeschlossen waren) ist nirgends anerkannt. Wer nun der oder die nächste an der Krone beim 
Erlöschen des Agnatenstammes auch sei, für den weiteren Verlauf der Thronfolge tritt der 
Vorzug des Mannesstammes sofort wieder in Kraft: jenes Erlöschen bringt cine neue, mit der 
alten kognatisch verwandte Dynastie auf den Thron, in welcher die Krone wiederum verfassungs- 
mäßig, nach dem Rechte der agnatischen Linealfolge, forterbt. 
Innerhalb des Mannesstammes ordnen die Anwärter sich nicht als einzelne nach der 
Gradnähe zum altimus defunctus (also Vemeinung des „Gradualsystems"), auch nicht nach 
dem Lebensalter (Ablehnung des sog. Seniorats), sondern linien weise, d. h. nach 
Gruppen („Linien"), welche durch die Gemeinsamkeit des nächsten Stammvaters zusammen- 
gehalten werden (Linealfolge). Die zuvörderst berufene Linie ist die des letzten Thron- 
inhabers selbst, die durch ihn zur Linie verbundene Agnatengruppe, mit andern Worten seine 
Söhne, vorab, nach dem Rechte der Erstgeburt, der älteste oder vielmehr, nach der Folgerichtig- 
keit des Linealsystems, nicht sowohl dieser älteste als seine Linie, derart, daß die Abkömmlinge 
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