Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Staatsrecht. 165 
die Abwehr von Gefahren, welche der Allgemeinheit oder den einzelnen drohen. Innerhalb dieses 
begrifflichen Rahmens kann die Vollmacht der verordnungsberechtigten Stellen entweder ganz 
allgemein gehalten sein, derart, daß Inhalt und Umfang der polizeilichen Verordnungsgewalt 
nicht enger begrenzt ist wie die polizeiliche Amtsgewalt überhaupt, das Polizeiverordnungs- 
recht sonach nur durch das Wesen und den Begriff der „Polizei“ genannten Funktion der inneren 
Verwaltung beschränkt ist 1, mit der selbstverständlichen Maßgabe, daß die Polizeiverordnungen 
weder einem Gesetze noch der Verordnung einer höheren Instanz widersprechen dürfen. Dies 
ist die grundsätzliche Gestaltung des Polizeiverordnungsrechts in Preußen (Ges. über die Polizei- 
verwaltung vom 11. März 1850, 56, Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 
1883, § 136 ff.). Oder aber die Gesetzgebung beschränkt das Polizeiverordnungsrecht auf bestimmte, 
einzeln aufgezählte Materien und Gegenstände polizeirechtlichen Inhalts, so daß den verordnungs- 
berechtigten Stellen lediglich überlassen bleibt, die vom Gesetzgeber angegebenen Tatbestände 
mit Normen auszufüllen, sie zu detaillieren. Diese engere Begrenzung der polizeilichen Verord- 
nungsgewalt ist Rechtens in den süddeutschen Staaten, deren Polizeistrafgesetz- 
bücher (bayerisches vom 26. Dezember 1871, württembergisches vom 27. Dezember 1871, 
badisches vom 31. Oktober 1863) die Einzelheiten regeln. 
Die nähere Erörterung des Polizeiverordnungsrechts muß dem Verwaltungsrecht über- 
lassen bleiben. 
3. Schließlich muß eine — stillschweigend erteilte — Ermächtigung zum Erlasse von Rechts- 
verordnungen erblickt werden in jenen Vorschriften der Verfassungen (Allegate oben S. 162 
Anm. 1), welche dem Monarchen die Befugnis zusprechen, die zur Ausführung der Gesetze 
erforderlichen Verordnungen zu erlassen. Solche Ausführungs--= oder Vollzugs- 
verordnungen — im Reiche die grundsätzlich vom Bundesrate, Art. 7 Ziff. 2 RV., zu be- 
schließenden „zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvor- 
schriften und Einrichtungen“ — mögen allerdings in erster Linie als reine Verwaltungs= (organi- 
satorische und instruktionelle) Verordnungen, nicht als Rechtsvorschriften gemeint sein, und sind 
insoweit die delegierenden Verfassungssätze, wie Art. 45 der preuß. Vll., überflüssig, da, wie oben. 
(S. 162) dargelegt, die Kompetenz zum Erlaß von Verwaltungsverordnungen in der voll- 
ziehenden Gewalt schon ohnehin enthalten ist. Die Ausführungsverordnung — und dies gilt 
auch von den bundesrätlichen Verordnungen nach RV. Art. 7 Ziff. 2 2 — kann aber weiterhin 
auch Rechts verordnung sein, sic darf sich nach der Absicht jener Verfassungsbestimmungen nicht 
nur instruktionsmäßig an die Behörden, sondern auch rechtssatzmäßig an die Untertanen wenden. 
Sie darf Vorschriften enthalten, welche den Gesetzestext im einzelnen ausführen, ja, selbst ergänzen. 
Dabei ist freilich die in dem Gedanken des Gesetzesvollzuges liegende Richtschnur streng innezu- 
halten: die Ausführungsverordnung soll den Zweck des Gesetzes herbeiführen helfen, nicht aber 
hemmen, auch nicht ihn erweitern. Sie soll wollen, was das veranlassende Gesetz will: alles, aber 
nicht mehr. 
II. 8§ 43. Die Justiz 2. 
1. Begriff. — Das Verhältnis der Begriffe „Justiz“ und „Rechtspflege“ 
ist der Unterscheidung zwischen formeller und materieller Gesetzgebung (oben § 39) analog. 
Der Begriff der Rechtspflege ist ein materieller; er entspricht dem der Gesetzgebung im materiellen 
Sinn, der Rechtssetzung. Diese hat es zu tun mit der Schaffung und Fortbildung der Rechts- 
ordnung, jene, wie der Name sagt, mit deren „Pflege“. Rechtspfleg ee ist die auf die Er- 
1 Siehe hierüber den verwaltungsrechtlichen Teil dieser Enzyklopädie. 
* Bestritten. Richtig Meyer-Anschütz § 165 Anm. 13 gegen Laband, Seydel, 
Otto Mayer u. a. 
* Die staatsrechtlichen Grundlagen der deutschen Justizverfassung sind am besten und voll- 
ändigsten dargestellt bei Laband 39 s§ 83—94. Vgl. außerdem: v. Gerber, Grundz. 
m55, 56; Haenel, Staatsr. 1 711 ff.; Meyer-Anschütz 1§8 170 ff.; Otto Mayer, 
Verwaltungsrecht 1 § 16. Anschü , Justiz und Verwaltung, in der „Kultur der Gegenwart", 
Systematische Rechtswissenschaft (2. Aufl. 1913). Über preußisches Recht insbes.: Stoelzel, Bran- 
denburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung; Loening, Gerichte und Ver- 
waltungsbehörden in Br.-Preußen (Verwaltungsarchiv, Bd. 2 und 8).
	        
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