Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

168 G. Anschütz. 
werden darf. In Strafsachen aber kann partikularrechtlich nur in dem sehr eng begrenzten 
Rahmen der §sF 453 ff., 469 ff. Etr PO. (Zulässigkeit polizeilicher Strafverfügungen bei Über- 
tretungen, von Strafbescheiden wegen Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Er- 
hebung öffentlicher Abgaben und Gefälle) die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zugunsten 
administrativer Organe ausgeschlossen werden, und ist insoweit der vom Reichsgesetz mit der 
einen Hand (§ 13 GVG.) gewährte Spielraum durch die andere (Str P. a. a. O.) auf ein 
sehr geringes Maß zurückgeführt. 
Auf den Inhalt der einzelnen Landesgesetze über die Zuständigkeit bzw. Unzuständigkeit 
der ordentlichen Gerichte kann hier nicht eingegangen werden. Hervorzuheben ist, daß in den 
meisten Einzelstaaten (dies gilt insbes. auch für Preußen) eine Verweisung von Zivilrechtsstreitig- 
keiten auf den Verwaltungs(Verwaltungsrechtsweg)weg und eine Zuweisung von öffentlichrecht- 
lichen Streitsachen an die ordentlichen Gerichte überall nur in geringem Umfange stattgefunden 
hat, so daß die durch das Reichsrecht (§ 13 GVG.) mit subsidiärer Geltungskraft festgestellte Nor- 
malzuständigkeit der Justiz: Pflege des Privat= und Strafrechts, dem tatsächlich geltenden Kom- 
petenzzustande im großen und ganzen entspricht. — 
Weiteres über die Kompetenzverhältnisse zwischen Justiz und Verwaltung, insbesondere 
über Kompetenzkonflikte, s. in dem verwaltungsrechtlichen Teile dieser Enzyklopädie. 
3. Ausübung der Justiz. — Eine lange Entwicklung mit zwingend-gemeinrecht- 
lichen Vorschriften abschließend proklamiert die Reichsjustizgesetzgebung die Grundsätze der Staat- 
lichkeit aller Justiz (IJ15 GVG.: „Die Gerichte sind Staatsgerichte. Die Privatgerichts- 
barkeit ist aufgehoben; an ihre Stelle tritt die Gerichtsbarkeit desjenigen Bundesstaates, in welchem 
sie ausgeübt wurde .. Die Ausübung einer geistlichen Gerichtsbarkeit in weltlichen Angelegen- 
heiten ist ohne bürgerliche Wirkung“) und der richterlichen Unabhängigkeit (7 1 
GVG. :, Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem Gesetze unterworfene Gerichte 
ausgeübt"): zwei wesentliche Forderungen des modernen, die Unabhängigkeit insbesondere eine 
Forderung des konstitutionellen Staatsgedankens, welche der absolute Staat, bei man- 
gelnder Gewaltenteilung, noch unerfüllt gelassen, höchstenfalls nur angebahnt hette. Durch 
jene Prinzipien wird die Justiz voll für die Staats gewalt in Land und Reich in Anspruch ge- 
nommen und sodann nach dem Richtmaß der Gewaltenteilung (vgl. oben S. 27 ff.) organisatorisch 
verselbständigt, von der gesetzgebenden wie von der vollziehenden Gewalt differenziert, mit der 
Wirkung, daß die justizausübenden Staatsorgane, die ordentlichen Gerichte, dem Gesetz ganz, der 
Verwaltung gar nicht unterworfen sind. 
Die heutige Organisation der Gerichte, die „Gerichtsverfassung", ist ein für ganz Deutschland 
durch das Reichsgerichtsverfassungsgesetz ausgeführter einheitlicher Bau, der in der unteren und 
Mittelinstanz Landesgerichtsbarkeit, an höchster Stelle eigene und unmittelbare Reichsgerichts- 
barkeit: das Reichsgericht, zeigt. Die Einzelheiten gehören nicht hierher (val. die prozeßrechtlichen 
Teile dieser Enzyklopädie). Auch die Bestimmungen, welche das GV. zur Durchführung und 
Sicherstellung der Unabhängigkeit der Justiz trifft, seien hier lediglich angedeutet: Vorschriften 
über die besondere dienstliche und disziplinäre Stellung der Richter (§§6—9 GVG.), Unabhängig- 
keitsgarantien betreffs der Zusammensetzung der Kammern und Senate der Kollegialgerichte 
(88 61—68, 121, 133 GVG.), über die Verteilung der Geschäfte auf die Kammern und Senate 
(s. daselbst), Normen über die Vertretung der Richter und die Zuziehung von nicht fest angestellten 
Richtern, „Hilfsrichten“ (§8 69, 122, 134 GVG.). 
Für die monarchischen deutschen Einzelstaaten bedeutet der Grundsatz der richterlichen Un- 
abhängigkeit staatsrechtlich dies, daß der Monarch, welcher dem Rechte und der Innehabung nach 
fortdauernd als Fons Justitiae gilt!, die Justiz einrichten und erhalten, aber nicht ausüben soll. 
Des Königs Richter hat in des Königs Namen (preuß. Vll. Art. 86), nicht aber nach dessen Befeh- 
len Recht zu sprechen. Die Gesamtheit der dem Staatsoberhaupt gegenüber der Justiz zustehenden 
Rechte pflegt man als gerichtsherrliche Rechte zu bezeichnen und hierher insbesondere 
zu rechnen: die Justizverwaltung (Inbegriff der Tätigkeiten, welche darauf gerichtet 
sind, den geordneten Gang der Justiz zu ermöglichen, zu unterstützen und die Gerichte, unbeschadet 
ihrer Unabhängigkeit, zu beaufsichtigen), fermer die durch den gesetzlich notwendigen Organismus 
der Staatsanwaltschaft zu handhabenden Funktionen der Strafverfolgung 
und des Strafvollzuges, endlich das Recht der Begnadigung. In den drei Hanse-
	        
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