Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

170 G. Anschütz. 
Das Verhältnis der Verwaltung zur Gesetzgebung ist bereits oben, bei der Lehre von Gesetz 
und Verordnung (vgl. oben S. 151 ff., 161 ff.), hinreichend gekennzeichnet. Das Gesetz ist einmal 
der Verwaltung, gleichwie der Justiz, übergeordnet: es ist auch hier der rechtlich unbedingth öhere 
Staatswille und in diesem Sinne selbstverständlich, daß die Verwaltungsorgane nichts diesem 
Willen Zuwiderlaufendes anordnen, keine Verfügungen contra legem treffen dürfen. Weiter 
aber: die Verwaltungstätigkeit hat sich überall in den Schranken des Gesetzes, intra legem, zu 
halten, sie darf insonderheit, wenn sie als obrigkeitliche Gewalt den Untertanen gegenübertritt, 
in deren Freiheitssphäre nur auf Grund und nach Maßgabe des Gesetzes eingreifen, darf niemand 
ultra legem mit Pflichten belasten. Diese Rechtsstellung der handelnden Staatsgewalt, der 
Grundsatz der gesetzmäßigen Verwaltunp, ergibt sich als unmittelbare Frage 
aus dem verfassungsmäßigen Wirkungskreis und Vorbehalt der gesetzgebenden Gewalt. Ist es, 
wie oben S. 154 dargetan, richtig, daß das Eingreifen in Freiheit und Eigentum der einzelnen 
der Legislative ausschließlich vorbehalten ist, so folgt, daß andere außer dem Gesetzgeber, daß auch 
die Verwaltung solches, sei es durch abstrakte Normen (Verordnungen))t sei es durch kon- 
krete Befehle oder Verbote (Verfügungen) nur tun dürfen kraft gesetzlicher Ermächtigung. 
Wofern man also unter „Dürfen“ versteht die rechtliche Fähigkeit zum Eingreifen in Freiheit und 
Eigentum der Untertanen, ist es unzutreffend, zu behaupten, die Verwaltung dürfe alles, was ihr 
durch Gesetz nicht ausdrücklich verboten ist. Sie darf vielmehr befehlen und verbieten, fordern 
und zwingen nur insoweit, als das Gesetz ihr dies erlaubt. 
Das Recht einzelner Verwaltungszweige. 
8 45. Die auswärtigen Angelegenheiten. 
I. Die Zuständigkeit des Reiches und der Einzelstaaten auf dem Gebiete der auswärti- 
gen Angelegenheiten 1. — Das Deutsche Reich ist ein nicht nur staatsrechtlich, sonderm, was hier 
einschlägt, auch völkerrechtlich souveräner Staat; er ist nicht sowohl, wie der Deutsche 
Bund allenfalls von sich sagen durfte, „in seinen äußeren Verhältnissen eine in politischer Einheit 
verbundene Gesamtmacht" (We#. Art. 2; s. oben S. 37), sondern es ist einfach eine „Macht“ 
im Sinne des Völkerrechts, das heißt ein Staat, welchem die volle und ungeminderte Verkehrs--, 
Geschäfts= und Aktionsfähigkeit im Verkehr der Staaten zusteht. Dies ist unbestreitbar und un- 
bestritten. In seiner internationalen Daseinsberechtigung von Anfang an allseits anerkannt, 
hat das Reich, wie jedes Blatt seiner politischen Geschichte lehrt, diese Berechtigung fort und fort 
auch betätigt, hat durch Taten gezeigt, wie es sich zu allen völkerrechtlich überhaupt denkbaren 
Handlungen und Maßregeln, friedlichen und feindlichen, für zuständig hielt: es hat das Leben 
einer Macht und einer Großmacht gelebt. Und auch die Reichsverfassung redet hier deutlich. 
Sie legt dem Reiche nicht nur einzelne auswärtige Hoheitsrechte bei, sondern alle, nimmt alles 
für dic Reichsgewalt in Anspruch, was der Begriff der völkerrechtlichen Souveränetät fordert 
(ogl. auch oben S. 67). Man überzeuge sich, daß nichts fehlt. Dem Reiche steht das Recht des 
diplomatischen Verkehrs (ius legationum) im weitesten Sinne zu: das aktive und passive Gesandt- 
schaftsrecht (Art. 11 RV.) und gleicherweise das Recht, Konsuln nicht nur zu entsenden, sondern 
auch zu empfangen und für das ganze Reichsgebiet mit dem Exequator zu versehen (vgl. R#V. 
Art. 11, 56). Das Reich hat ferner das „#us foederum“, das Recht, „Bündnisse und ander Ver- 
träge mit fremden Staaten einzugehen“ (Art. 11), worin inbegriffen die Kompetenz liegt, über- 
haupt alle friedlichen völkerrechtlichen Verhandlungen und Negotationen vorzunehmen, einerlei, 
ob sie zum Abschlusse eines internationalen Rechtsgeschäfts führen oder nicht. Dem Reiche ge- 
bührt endlich und vor allem das ius belli ac pacis, das Recht der Waffen (RV. Art. 11, 63 Abs. 
1, 53) und damit, als ein durch dies maius eingeschlossenes minus, die Kompetenz zur Anwendung 
1 Haenel 1 531 ff.; Laband 3 lff.; We cr un § J 188—190; Meyer- 
Dochow, Deutsches Verwaltungsrecht #5 167—175; Zorn 2 410 ff.; v. Seydel, Komm. 
159 ff. und Bayer. Staatsr. 3 732 ff.; Rieß, Auswärtige Hoheitsrechte der deutschen Einzel- 
staaten (1905). «
	        
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