Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Staatsrecht. 173 
nach RV. Art. 11 das Reich völkerrechtlich zu vertreten hat. Auf den Amtsorganismus des aus- 
wärtigen Dienstes kann hier nicht eingegangen werden. 
II. Die Staatsverträge. Abschluß und Vollzug 1. In Gemäßheit der eben erwähnten 
Vertretungsmacht steht den Landesherren bezw. dem Kaiser insbesondere das Recht zu, namens 
des Staates (Reiches) Verträge mit anderen Staaten abzuschließen. Versteht man unter Abschluß 
des Staatsvertrages die Handlung, welche das Geschäft völkerrechtlich zur Perfektion bringt, bei 
der international üblichen Behandlungsweise also die Ratifikation des zwischen den Unter- 
händlern der kontrahierenden Staaten vereinbarten Vertragsinhalts und den Austausch der Rati- 
fikationsurkunden mit der Gegenpartei, so kann nicht zweifelhaft sein, daß dieser Abschluß aus- 
schließlich Sache der Krone, im Reiche Sache des Kaisers ist. Die Unterschrift des Monarchen ist 
zur völkerrechtlichen, vertragsmäßigen Berechtigung und Verpflichtung des Staates so erforder- 
lich wie ausreichend, und das gleiche gilt im Verhältnis des Kaisers zum Reiche. Eine Mitwirkung 
der Volksvertretung bzw. der gesetzgebenden Faktoren bei dem Abschluß der Staatsverträge wäre 
denkbar, ist aber in Deutschland positivrechtlich nicht zugestanden. Insbesondere auch dort nicht, 
wo „zur Gültigkeit“ gewisser Kategorien von Staatsverträgen verfassungsmäßig die Zustimmung 
der Volksvertretung erfordert ist (preuß. VU Art. 48). Desgleichen nicht im Reiche nach Art. 11 
Abs. 3 RV. das dort geregelte Zustimmungs-- bzw. Genehmigungsrecht des Bundesrats und des 
Reichstages beschränkt die Vertretungsmacht des Kaisers (RV. Art. 11 Abs. 1) nach außen nicht. 
Darauf allein aber kommt es für die vorliegende Frage an. 
Die völkerrechtliche Gültigkeit des Staatsvertrages ist durch die Zustimmung der 
gesetzgebenden Faktoren nicht bedingt, letztere ist, soweit überhaupt, nur zur staatsrecht- 
lichen Gültigkeit notwendig, und hängt die Gültigkeit in diesem Sinne allerdings davon 
ab, ob die verfassungsmäßig geordnete Genehmigung jener Faktoren (Landtag, Bundesrat und 
Reichstag) erteilt oder verweigert wird. 
Staatsrechtliche Gültigkeit eines völkerrechtlichen Vertrages bedeutet Vollziehbarkeit des- 
selben durch die Regierung des verpflichteten Staates nach dem Recht dieses Staates. Einen 
Staatsvertrag staatsrechtlich zur Geltung bringen heißt ihn zum Bestandteil der innerstaatlichen 
Rechts- und Verwaltungsordnung machen, kurz ihn erfüllen. Ob und inwieweit die Staats- 
regierung zu dieser Erfüllungstätigkeit der Zustimmung der Volksvertretung bedarf, richtet sich 
in erster Linie nach den positiven Vorschriften der Verfassungen 1; falls solche Vorschriften fehlen, 
nach den allgemeinen Grundsätzen über den Wirkungskreis der Volksvertretung. Keine Vor- 
schriften dieser Art, überhaupt keine Bestimmungen über Staatsverträge finden sich in den Ver- 
fassungen Bayerns, Sachsens, Badens. Hier ist einerseits gewiß, daß der Abschluß (die völker- 
rechtliche Gültigkeit) der Verträge allein durch die Krone herbeigeführt wird, andererseits aber 
ebenso gewiß, daß die Krone den Vertrag alsdann nicht einseitig in Vollzug setzen (staatsrechtlich 
zur Gültigkeit bringen) kann, wenn sie zu den Vollzugshandlungen der Zustimmung des Landtags 
sonst, abgesehen von dem Umstande, daß sie durch einen Staatsvertrag veranlaßt sind, bedürfen 
würde. Die Regierung kann sich über die verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsschranken, über 
die Grenze zwischen Gesetz und Verordnung (s. oben s 39, 42) nicht mit dem Hinweis darauf 
hinwegsetzen, daß sie in Erfüllung eines einem anderen Staate gegebenen Versprechens handle. 
Greift also die Erfüllung des Staatsvertrages in den Vorbehalt der Legislative (oben § 39) 
ein, will die Rechtsordnung des Landes geändert oder der Staat mit Ausgaben belastet werden, 
welche der budgetmäßigen Bewilligung bedürfen, so muß zur Erfüllung die Zustimmung 
der Volksvertretung eingeholt werden. 
Die preußische Vl., Art. 48, fordert zur „Gültigkeit“ der Staatsverträge die par- 
lamentarische Zustimmung, „sofern es Handelsverträge sind, oder wenn dadurch dem Staate 
Lasten oder einzelnen Staatsbürgern Verpflichtungen auferlegt werden". „Gültigkeit“ bedeutet 
1 Laband 2 K#60—62; v. Seydel, Komm. S. 162 ff.; Meyer-Anschütz 189, 
190; Ernst Meier, Über den Abschluß von Staatsverträgen (1874); Jellinek, Die rechtl. 
Natur der Staatenverträge (1880) und Gesetz und Verordnung S. 341 ff.; Zorn in der Ztschr. 
" d. ges. Staatswiss. 36 1 ff.; Proebst, Die Lehre vom Abschlusse völkerrechtlicher Verträge, 
irths Annal. 1882, 241 ff.; Rieß, Die Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften bei Staats- 
verträgen (1904).
	        
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