Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

184 G. Anschütz. 
eigentlichen Sinne, wenn jenes Moment fehlt, die Heranziehung des Steuerzahlers ohne Rück- 
sicht auf besondere und bestimmte, gerade ihm zugute kommende Staatsleistungen erfolgt. 
Zu den steuerlichen Einnahmen des Reiches gehören außer den Zöllen, den Verbrauchs-! 
Stempel-“ und anderens indirekten und direkten" Steuern auch die Matrikularbeiträge 
der Einzelstaaten, welche in ihrem Gesamtbetrage alljährlich durch das Gesetz über den 
Reichshaushaltsetat (s. unten, 11) festgestellt und in diesem budgetmäßigen Betrage vom Reichs- 
kanzler auf die Einzelstaaten nach dem Umlagemaßstab der Bevölkerungsziffer ausgeschrieben 
werden: RV. Art. 70. Die Matrikularbeiträge sind ihrer rechtlichen Natur nach Steuern, nicht 
etwa Mitgliederbeiträge zu einer gesellschaftsmäßig geformten Vereinswirtschaft: der Rechts- 
grund der Zahlungspflicht ist nicht das vertragsmäßige Einverständnis der Einzelstaaten als Mit- 
glieder des Reichs, sondern der einseitige Befehl der Reichsgewalt an die Einzelstaaten als 
Untertanen des Reiches. 
Offentlichen Rechts sind ferner die Einnahmen, welche den Einzelstaaten in Gestalt von 
Überweisungen aus der Reichskasse zugewendet werden. Gegenstand der ÜUberweisungen 
sind die Erträgnisse gewisser Reichssteuem. Überwiesen werden, nachdem die UÜberweisung der 
Zölle, der Tabaksteuer und der Stempelsteuern durch die Reichsgesetze vom 14. Mai 1904 (RGBl. 
169) und 15. Juli 1909 (RGBl. 743) aufgehoben worden ist, jetzt nur noch die Branntweinsteuer 
und ein Fünftel des Rohertrages der Erschaftssteuer (angef. Ges. vom 15. Juli 1909, Ges. vom 
3. Juli 1913, RGl. 512, §5 5). Insoweit die Matrikularbeiträge in den Überweisungen keine 
Deckung finden, sind sie den Einzelstaaten am Jahresschluß in dem Maße zu erstatten, als die 
übrigen ordentlichen Einnahmen des Reiches dessen Bedarf übersteigen (R#V. Art. 70 Abs. 1 
Satz 3, Fassung des Gesetzes vom 15. Mai 1904, RGl. 169). 
2. Außerordentliche Einnahmen können erzielt werden insbesondere durch 
Veräußerung von Staats-= (Finanz- oder Verwaltungs-) Vermögen oder durch Inanspruchnahme 
des Staatskredits. Beides kommt im Haushalt des Reiches sowohl wie der Einzelstaaten vor. 
Von staatsrechtlicher Bedeutung ist vornehmlich die Frage, inwieweit zu solchen, Verminderung 
der Aktiva bezw. Vermehrung der Passiva des Staatshaushalts bewirkenden Finanzoperationen 
und Rechtsgeschäften die Regierung allein befugt oder der Mitwirkung der Volksvertretung be- 
dürftig ist. Selbstverständlich ist ein dahin gerichteter Anspruch der Volksvertretung 
weder in dem einen Falle (Verkauf von Staatsgut), noch in dem anderen (Kontrahierung von 
Staatsschulden), auch läßt er sich nicht aus der allgemeinen Kompetenz der Volksvertretung in 
Reich und Land, beim Erlaß von Gesetzen beschließend mitzuwirken, herleiten, denn die Ver- 
äußerung oder Verpfändung eines dem Staat gehörenden Grundstücks, die Emission von Staats- 
schuldverschreibungensind nicht Akte der Gesetzgebung im materiellen Sinne (oben § 39 S. 151 ff.), 
keine rechtssatzmäßigen Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Untertanen, sondern Ver- 
waltungsakte und noch dazu rein privatrechtliche, keine obrigkeitlichen Verwaltungsakte. 
Eine beschließende, überwachende oder sonstige Mitwirkung der Volksvertretung bei Ver- 
außerungs= oder Kreditgeschäften des gedachten Inhalts findet also nur insoweit statt, als sie 
durch besondere Vorschriften der Verfassung oder einzelner Gesetze angeordnet ist (unberührt 
bleibt das Budgetrecht der Volksvertretung, §. u. II, insbesondere die Frage, inwieweit die 
erlegten Gebühren kommen auch andere, vertragsmäßig ausbedungene, daher privatrecht- 
lich geartete vor. Näheres hierüber bei Anschütz, Gegenwärt. Theorien S. 97 ff. 
1 Verbrauchssteuern sind: die Salzsteuer, Zuckersteuer, Tabaksteuer (ergänzt durch eine be- 
sondere Zigarettensteuer), Branntweinsteuer, Biersteuer, Schaumweinsteuer, die Steuern auf 
Zündwaren, Leuchtmittel, Kalisalze. 
: Reichsstempelsteuern: der Spielkartenstempel, Stempel auf Wechsel, Schecks, Aktien, 
Renten= und Schuldverschreibungen, Dividenden und Zinsbogen, Schlußnoten, Lotterielose, 
Frachturkunden, Personenfahrkarten, Erlaubniskarten für Kraftfahrzeuge. 
* Zum Beispiel die Wertzuwachssteuer, auf welche das Reich jedoch, nachdem es eine all- 
gemeine Vermögenszuwachssteuer (s. nächste Anm.) eingeführt, durch das Gesetz über Anderungen 
im Finanzwesen vom 3. Juli 1913 (RBl. 521) verzichtet hat- 
Direkte Reichssteuern sind erst in neuester Zeit eingeführt worden. An ihrer Spitze stehen 
der einmalige außerordentliche Wehrbeitrag und die Besitzsteuer (d. h. Vermögenszuwachssteuer): 
Gesetze vom 3. Juli 1913 (R#l. 505, 524). Nach richtiger Auffassung ist aber auch die Reichs- 
erbschaftssteuer (Ges. vom 3. Juli 1906) eine direkte Steuer.
	        
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