Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Staatsrecht. 15 
Die Personal= verhält sich zur Realunion wie der Rechtsbegriff des Zufalls zu dem der 
Absicht. Bei der Personalunion ist die Gemeinschaft eine rechtlich zufällige, von den 
Verfassungen der unierten Staaten nicht geforderte noch festgelegte Tatsache: eine communio 
incidens. Regelmäßig entsteht die Personalunion durch Erbgang, d. h. dadurch, daß dem Herrscher 
eines Staates durch die Thronfolgeordnung eines anderen Staates die Krone auch des letzteren 
anfällt (so die früheren, nachmals aufgelösten Personalunionen zwischen England und Hannover, 
den Niederlanden und Luxemburg); doch sind auch andere Entstehungsweisen denkbar und 
dagewesen, wie etwa die Berufung des Monarchen von A auf den Thron des Landes B durch 
Wahl oder internationalen Rechtsakt. In derselben Weise, wie sie begründet worden ist, kann 
die Personalunion sich auch wieder lösen, so insbesondere dadurch, daß das Thronfolgerecht der 
unierten Staaten wiederum verschiedene Personen in dem einen und dem anderen Staate be- 
ruft. Man denke an den Fall, daß in dem einen Staate agnatische, in dem anderen Staate 
kognatische Thronfolge gilt, nach dem Tode des söhnelos verstorbenen gemeinsamen Monarchen 
also dessen einzige Tochter in dem einen Staate sukzediert, in dem anderen aber nicht sulzedieren 
kann und einem Seitenverwandten weichen muß (Auflösung der englisch-hannöverschen Personal- 
union 1837, der niederländisch-luxemburgischen 1893). 
Im Gegensatz zu der Personal- hat die Realunion nichts von einer communio 
incidens an sich; sie ist eine Gemeinschaft nicht des Zufalls, sondern der Absicht, beruhend auf 
dem einhelligen Willen der unierten Staaten. Ob dieser Wille ausdrücklich in einer Verein- 
barung erklärt ist oder stillschweigend betätigt wird, ist unerheblich; nur auf den Inhalt des 
Willens kommt es an, nämlich auf das Vorhandensein der Absicht, daß die Person des 
Monarchen den Staaten stets und unter allen Umständen gemeinsam sein soll. Weitere Gem ein- 
samkeiten, wie etwa gemeinsame Ministerien oder parlamentarische Einrichtungen, werden 
auch hier durch den Begriff nicht erfordert, kommen aber vor, wie z. B. in Osterreich-Ungarn. 
Außer Osterreich und Ungarn bieten heute noch die beiden deutschen Fürstentümer Schwarz= 
burg--Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt das Bild einer Realunion (entstanden 1909 
durch Erlöschen der Sondershäuser Linie des fürstlichschwarzburgischen Gesamthauses; das 
Verhältnis ist nicht unstreitig und wird von manchen als Personalunion aufgefaßt). Andere 
Realunionen sind im Laufe der Zeit beseitigt worden, so die zwischen Schleswig und Holstein, 
indem diese ehemaligen Herzogtümer 1866 durch ihre Einverleibung in Preußen die Eigenschaft 
als selbständige Staatswesen verloren, so die schwedisch-norwegische Union, welche durch Ver- 
trag vom 26. Oktober 1905 aufgelöst wurde. 
Gesellschaftsverhältnisse zwischen Staaten, Staatensozietäten liegen 
vor, sofern mehrere Staaten behufs gemeinsamer Verfolgung gemeinsamer Zwecke sich zu 
einem Verein zusammentun, ohne jedoch in ihrem Verhältnis zu- und gegeneinander den Boden 
des „Vertragskomments“, der völkerrechtlichen Koordination zu verlassen, und ohne ihren Verein 
zu einer selbständigen staatlichen Persönlichkeit, mit anderen Worten zum Staate über 
Staaten zu steigen. Die hierhergehörigen Staatenverbindungstypen lassen sich mannigfach 
klassifizieren. Trennende Kriterien sind: einmal das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein 
besonderer Organe, welche mit Wahrnehmung der Sozietätsaufgaben betraut sind; man 
unterscheidet hiernach organisierte und nichtorganisierte Staatensozietäten. „Organisiert"“ 
waren die sogleich zu erwähnenden Staatenbünde, wie insbesondere der Deutsche Bund; auch 
der ehemalige Deutsche Zollverein und viele der modernen sog. internationalen Verwaltungs- 
vereine, z. B. der Weltpostverein (siehe die Darstellung des Völkerrechts), gehören zu der Klasse 
der organisierten Staatensozietäten. „Unorganisiert“ ist z. B. die lateinische Münzunion. Eine 
andere Einteilung der zwischenstaatlichen Gesellschaftsverhältnisse sieht auf den Zweck der 
Assoziation und unterscheidet hiernach Assoziationen mit administrativen (d. h. im 
Bereiche der staatlichen Kulturaufgaben liegenden) Zwecken, z. B. die erwähnten inter- 
nationalen Verwaltungsvereine, —nund Assoziationen mit politischen Zwecken (Aufgaben, 
die dem Bereiche des staatlichen Machtzwecks angehören. Das Hauptbeispiel einer politischen 
Staatengesellschaft ist der sog. Staatenbund. 
Der Staatenbund ist eine auf Vertrag beruhende, in diesem Sinne und auch nach ihrer 
rechtlichen Natur vertragsmäßige, organisierte Verbindung souveräner (s. unten 21 ff.) Staaten 
zu gemeinsamer Wahmehmung bestimmter politischer Interessen der Verbundenen, insbesondere
	        
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