Deutsches Verwaltungsrecht. 197
gehört aber alle Tätigkeit, die auf die Herstellung und Aufrechterhaltung der Rechtsordnung
gerichtet ist, also nicht nur die Rechtsprechung, d. h. das obrigkeitliche Aussprechen dessen,
was im einzelnen Falle Rechtens ist, sondern auch die ganze Prozeßleitung, die Zwangs-
vollstreckung und die sogenannte freiwillige Gerichtsbarkeit, bei deren Übung durch Be-
stätigung und Beurkundung von Rechtshandlungen Privater wie durch Sorge für die Ver-
waltung unvertretener Vermögensmassen und der Rechtsangelegenheiten schutzbedürftiger
Personen die Gerichte gleichfalls sorgen für die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung und die
Sicherheit der Rechtsverhältnisse. Alle diese Tätigkeiten der Gerichte sind daher Justiz. Und
ebenso müssen heute zur Justiz im historisch gegebenen Sinne auch noch die auf die Aufrechterhaltung
der Rechtsordnung gerichteten Tätigkeiten der Staatsanwaltschaft und der Kriminal= oder ge-
richtlichen Polizei gerechnet werden, denn es handelt sich hier um Hilfstätigkeiten der Straf-
rechtspflege, die erst durch die jüngere Rechtsentwickelung den Gerichten entzogen bzw. neu
geschaffen und besonderen Behörden übertragen sind. Dagegen ist nicht Justiz die Tätigkeit
der Gerichte, die zur sogenannten Justizverwaltung gehört, d. h. darauf gerichtet ist, den ge-
ordneten Gang der Justiz zu ermöglichen (Beschaffung der erforderlichen Räumlichkeiten,
Materialien, Ernennung der Beamten usw.) und den Geschäftsgang der unteren Gerichte zu
beaufsichtigen — übrigens die einzige Verwaltungstätigkeit, die heute noch den Gerichten über-
tragen werden darf (EG. zum GVG. F 4).
Geht man nach dieser Bestimmung der Begriffe Gesetzgebung und Justiz daran, die
Staatstätigkeiten zu charakterisieren, die nach Abzug der Justiz und Gesetzgebung übrigbleiben
und die Verwaltung ausmachen, so findet man zunächst, daß sie kein gemeinsames objektives
Moment aufweisen, das ihnen der Gesetzgebung und Justiz gegenüber eigentümlich ist. Die
Verwaltungstätigkeit kann dasselbe zu ihrem Inhalte haben wie die Gesetzgebung und die
Justiz: die Aufstellung von Rechtsnormen und die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung. Diese
ist Gesetzgebung bzw. Justiz nur, wenn sie ausgeht von den gesetzgebenden Organen bzw. den
Zivil-- und Strafgerichten. Stellen die Verwaltungsbehörden Rechtsnormen auf, wozu sie
durch UÜbertragung des Verordnungsrechtes in weitem Umfange berufen sind, so liegt nicht
Gesetzgebung, sondern Verwaltung vor. Und ebenso liegt Verwaltung und nicht Justiz vor,
wenn andere Behörden als die ordentlichen Gerichte tätig sind zur Aufrechterhaltung der Rechts-
ordnung. Die Rechtspflege der modernen Verwaltungsgerichte, die sachlich genau die gleiche
Natur hat wie die der Zivilgerichte, und desgleichen die zahlreichen Beurkundungen, zu denen
Verwaltungsbeamte berufen sind, wie z. B. die Beurkundungen der Standesbeamten, die ihrem
inneren Wesen nach sich in nichts unterscheiden von den Beurkundungen des Richters im Ge-
biete der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sind nicht Justiz, sondern Verwaltung. Ebenso aber lassen
sich die Tätigkeiten, welche nach unserer Dreiteilung die Verwaltung ausmachen, unter einem
subjektiven Gesichtspunkte nicht restlos zusammenfassen. Wohl geht die große Masse derselben
von den Verwaltungsbehörden aus, zu denen hier auch die Verwaltungsgerichte zu rechnen sind,
allein es ist bereits oben darauf hingewiesen, wie doch auch die gesetzgebenden Organe und
die ordentlichen Gerichte an der Verwaltung beteiligt sind. Fehlt es sonach also an einem durch-
schlagenden Kriterium der Verwaltung gegenüber den beiden anderen Staatstätigkeiten, so läßt
sie sich lediglich negativ bestimmen als die Staatstätigkeit, die nicht Gesetzgebung und auch nicht
Justiz ist. Nur wenn man sich dessen bewußt ist, eine Definition zu geben, bei der die kleinen
Restbestände der Verwaltung, die von den gesetzgebenden Organen und den ordentlichen Ge-
richten besorgt werden, herausfallen, kann man die Verwaltung positiv als die Tätigkeit des
Staatsoberhauptes und der Verwaltungsbehörden definieren. Damit ist der Begriff der Ver-
waltung im Sinne der historisch entstandenen Dreiteilung der Staatsgeschäfte bestimmt, jedoch
noch nicht völlig erfaßt in dem Sinne, der heute mit ihm allgemein verbunden wird. Noch
zwei Bemerkungen sind dem Vorangehenden hinzuzufügen: 1. Es ist ein Hauptgrundsatz des
modernen Verfassungsstaates, daß alle Verwaltung eine „gesetzmäßige“ ist, d. h. sich hält im
Rahmen der von dem Staate selbst aufgestellten Rechtsordnung. Daher werden gemeinhin
diejenigen Tätigkeiten des Staates nicht als Verwaltung angesehen, bei deren Entwicklung er
den Boden seiner Rechtsordnung verläßt. So nicht der diplomatische Verkehr, die Krieg-
führung, die Anwendung völkerrechtlicher Zwangsmittel außerhalb des Krieges (Repressalien,
Friedensblockade), die nicht unter der staatlichen Rechtsordnung, sondern unter dem Völker-