Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

268 Paul Schoen. 
nur eingreifen darf, wenn diese Störungen für die einzelnen wirkliche Gefahren und nicht bloße 
Belästigungen verursachen (z. B. Pr. OVG. E. 6, 362 f., 9 S. 350, 379; Rosin 307 ff.). 
Den historischen wie dogmatischen Gegensatz zu dieser auf Störungsabwehr gerichteten 
Tätigkeit im Gebiete der inneren Verwaltung bildet die Wohlfahrtspflege, d. h. alle auf Hebung 
und Förderung des materiellen wie geistigen Wohlstandes der Gesamtheit wie des einzelnen 
abzielende Tätigkeit. Von dieser ist die Polizei prinzipiell ausgeschlossen. Nur auf Grund be- 
sonderer gesetzlicher Ermächtigung darf sie mit ihren Zwangsmitteln Wohlfahrtszwecke ver- 
folgen, zu denen auch die Sorge für rein ästhetische Interessen gehört. Deshalb waren z. B. 
gesetzliche Bestimmungen erforderlich, um sie zu berechtigen, der Verunstaltung von Ortschaften 
und landschaftlich hervorragenden Gegenden durch Baulichkeiten, Reklameschilder usw. entgegen- 
zutreten (Pr. Ges. v. 2. 6. 1902, 15. 7. 1907; Sächs. G. v. 10. 3. 1909; Nov. z. bad. PolStrG. 
s 130 v. 20. 8. 1904: Württ. Bau O. v. 28. 7. 1910 Art. 98). 
3. Ist der Polizei charakterstisch, daß sie mit Zwang arbeitet, so fällt alle Tätigkeit der 
Polizeiorgane, die sich nicht in Befehl und Zwang äußert, aus dem Begriffe der Polizei heraus. 
Es gehören dahin die dauernde Beobachtung und Uberwachung des gesamten öffentlichen 
Lebens, die Bekanntgabe von Wahrnehmungen und Belehrungen an das Publikum u. a., Tätig- 
keiten, die das Einsetzen der eigentlich polizeilichen Aktion vorbereiten oder erübrigen wollen. 
Es sind einfache Verwaltungstätigkeiten, meist ohne jede juristische Bedeutung, die man 
bezeichnend Hilfstätigkeiten der Polizei nennen kann (O. Mayer 1, 254; anders 
Loening Hdbch. 10642, Anschütz 13). 
III. Sicherheitspolizei, Verwaltungspolizei, Kriminalpolizei. 
Wie in der Verwaltung überhaupt verschiedene Zweige unterschieden werden, so wird auch die 
innere Verwaltung von Theorie und Praxis in verschiedene Gebiete eingeteilt nach den Interessen, 
deren Schutz und Förderung auf ihnen erstrebt wird. Man unterscheidet Gesundheits-, Gewerbe-, 
Armenwesen usw. Auf allen diesen Gebieten wird neben pfleglicher auch polizeiliche Staats- 
tätigkeit entfaltet, und so werden nach dem Verwaltungsgebiete, auf dem sie wirkt, auch ver- 
schiedene Zweige der Polizei: Gesundheits-, Gewerbe-, Armenpolizei usw., unterschieden. Es 
gibt nun aber auch Gebiete staatlicher Verwaltungstätigkeit, auf denen die ganze Verwaltung 
sich in der Ubung von Polizei und den mit dieser verbundenen Hilfstätigkeiten erschöpft, und 
die hier entwickelte polizeiliche Tätigkeit wird zusammenfassend als Sicherheitspolizei 
bezeichnet. Die Sicherheitspolizei macht also ein besonderes Gebiet der inneren Verwaltung 
aus, während die übrige Polizei, die im Gegensatze zur Sicherheitspolizei Veerwaltungs- 
polizei genannt zu werden pflegt, sich durch die verschiedenen Sparten der inneren Ver- 
waltung hindurchzieht und in Verbindung mit nichtpolizeilichen Tätigkeiten die zu einem Ver- 
waltungszweige gehörige Staatstätigkeit darstellt. Eine wissenschaftliche Bedeutung hat die 
Unterscheidung von Sicherheits- und Verwaltungspolizei überhaupt nicht, für die Praxis 
kommt sie jedoch in Preußen insofern in Betracht, als die preußische Gesetzgebung über die 
Sicherheitspolizei einige Sondervorschriften gegeben hat (s. z. B. LVG. F143, Städte O. Schlesw.= 
Holst. & 89, Dienstinstr. f. d. Gendarmerie 30. 12. 1820 F 24). 
Die Kriminal= oder gerichtliche Polizei, wie die staatliche Tätigkeit ge- 
nannt wird, die auf die Entdeckung begangener strafbarer Handlungen und die Feststellung 
bzw. Festnahme des Täters gerichtet ist, ist überhaupt nicht Polizei in dem hier festgestellten 
Sinne, da sie nichts zu tun hat mit der Abwehr von Gefahren und Störungen. Sie ist eine 
lediglich im Dienste der Justiz stehende Tätigkeit, die geleitet wird von der Staatsanwaltschaft 
und nur aus Zweckmäßigkeitsgründen Polizeiorganen zur Ausübung übertragen ist (vgl. oben 197). 
IV. Ortspolizei, Landespolizei. Beide Begriffe werden in doppelter 
Bedeutung gebraucht: 1. Zunächst materiell verstanden, bedeuten sie eine Unterscheidung 
der polizeilichen Tätigkeit nach den von ihr zu schützenden Interessen. Ortspolizei heißt die 
polizeiliche Tätigkeit, welche zum Gegenstande hat den Schutz spezifisch lokaler, d. h. sich aus dem 
nachbarlichen Zusammenwohnen oder der nachbarlichen Lage der Grundstücke ergebender Gemein- 
interessen, Landespolizei dagegen diejenige, welche auf den Schutz von Interessen gerichtet ist, 
1 Mit dem oben S. 204 erwähnten historischen hat dieser moderne Begriff Sicherheitspolizei 
nichts zu tun. 
 
	        
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